Bastard Operator from Hell
von Simon Travaglia
frei übersetzt von Florian Schiel
Kapitel 1
Heute ist Backup-Tag. Mein
Lieblingstag! Andererseits hat es natuerlich gewisse Vorteile, der Operator zu
sein. Ich linke das tapedevice nach /dev/ null - viel oekonomischer. Zumindest
was meine Arbeitszeit angeht, weil ich nicht alle 5 Minuten Baender wechseln
muss. Ausserdem dauert das Backup nur noch etwa 12 Minuten, also kann es nicht
ganz schlecht sein!
Ein Benutzer ruft an.
"Wissen Sie, warum das
System so langsam ist?" fragt er.
"Wahrscheinlich liegt's an..." Ich
schaue nach, was heute dran ist "...der Taktfrequenz."
"Ah." Wenn sie
nicht wissen, wovon man redet, sind sie meistens zufrieden.
"Wissen Sie
wann das repariert wird?"
"Repariert? Es sind 275 Benutzer auf deiner
Maschine, einer davon bist du. Nun sei ein braver Junge und lass mal ein paar
andere ran. Log aus, Egoist!"
"Aber... aber die Ergebnisse muessen morgen
abgegeben werden. Ich brauche nur noch eine Seite auf dem
Laserdrucker.."
"Aber klar doch! Erzaehl das mal deiner Oma, Bruder!"
Ich haenge auf.
Hundertausend Hoellenhunde! Man sollte meinen, dass sie
endlich lernen NICHT mehr anzurufen!
Das Telefon klingelt wieder. Ich weiss,
dass er es ist. So was nervt mich. Ich veringere meine Stimmlage um 2
Oktaven.
"HALLO, LOHNBUCHHALTUNG!"
"Ah.. oh. Tut mir leid. Ich
habe die falsche Nummer..."
"SOOO? Wie ist denn Ihr Name, Freundchen?
Wissen Sie, wieviel Geld uns solche falsche Anrufe kosten? WISSEN SIE DAS? Ich
haette gute Lust, Ihre vergeudete Zeit, meine vergeudete Zeit und die Kosten
dieses Anrufs von Ihrem Monatsgehalt abzuziehen! TATSACHE, DAS WERDE ICH AUCH!
Wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden SIE UNS Geld schulden! WIE IST IHR NAME -
UND KEINE LUEGEN! WIR HABEN ISDN!"
Ich hoere, wie der Hoerer
'runterfaellt und sich jemand in Trab setzt - er will sich im Sekretariat des
Dekans ein Alibi besorgen. Ich tippe seinen Benutzernamen ein und rufe im
Sekretariat des zugehoerigen Dekanats an.
"Hallo?" meldet sie
sich.
"Hallo, Simon, Operator hier. Passen Sie auf! Wenn er in etwa 10
Sekunden in Ihr Buero stuermt, koennen Sie ihm was ausrichten?"
"Ich
denke schon...", sagt sie unsicher.
"SAGEN SIE IHM: ER KANN RENNEN, ABER
ER ENTGEHT MIR NICHT!"
"Aehm, gut."
"Und nicht vergessen. Es waere
doch schade, wenn jemand Ihre Datei mit den einschlaegigen S+M Tips in Ihrem
Account finden wuerde..."
Ich hoere ihre langen Fingernaegel panikartig
ueber die Tastatur klappern...
"Sparen Sie sich die Muehe - ich hab' bereits
'ne Kopie. Nun seien Sie ein gutes Maedchen und richten Sie's ihm
aus!"
Sie verspricht es heulend.
Das Schlimme an der Sache ist, die
S+M Sache war nur geraten. Trotzdem hole ich mir rasch eine Kopie davon. Koennte
mal ganz gut sein, wenn ich nicht einschlafen kann...
Inzwischen ist das
Backup in neuer Rekordzeit zu Ende gelaufen. 11 Minuten und 10 Sekunden. Es lebe
die moderne Rechnertechnik!
Schon wieder klingelt das Telefon.
"Ich
brauche mehr Speicherplatz", sagt er.
"Warum ziehen Sie nicht in den
Osten?"
"Quatsch, in meinem Account, Sie Idiot."
Idiot?
Oh-oh...
"Es tut mir so leid", sage ich wie Mutter Beimer in der
Lindenstrasse, "aber ich hab' das nicht ganz mitgekriegt. Was sagten sie doch
gleich?"
Ich kann die aufkommende Angst durch die Leitung riechen. Aber es
ist zu spaet: er ist erledigt und er weiss es.
"Aehm, ich sagte, ich
haette gerne etwas mehr Speicherplatz in meinem Account, bitte."
"Aber
klar. Augenblick mal."
Ich hoere ihn erleichtert aufatmen, obwohl er die
Sprechmuschel mit der Hand abdeckt.
"Erledigt. Sie haben massig Platz
jetzt."
"Wieviel?"
Das geht mir nun wirklich auf den Keks! Nicht
nur, dass sie dauernd Speicherplatz von mir fordern, sie wollen mich auch noch
kontrollieren und protestieren, wenn ich ihnen nicht genug gebe. Sie sollten
gluecklich sein mit dem, was es von mir gibt, und basta!
Wieder mit Mutter
Beimer:
"Also, schaun' wir mal. Sie haben 60 MB frei."
"Klasse!
120 MB zusammen. Vielen Dank", sagte er, begeistert von seiner
Verhandlungstechnik.
"Moment!" unterbreche ich. Das muss man geniessen
wie einen Suedaustralischen bei Raumtemperatur. "60 MB insgesamt."
"Was?
Ich habe doch schon 60 MB belegt. Wie kann ich dann noch 60 MB frei
haben?"
Ich sage nichts. Ist auch nicht noetig. Er wird schon noch
draufkommen.
"Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaarrrrrrrrrrrrggggghhhhhh!"
Ich
mag mich, wenn ich eklig bin. Ehrlich!
Kapitel 2
Ich spiele gerade DOOM an
der Masterconsole, als irgend so ein gedankenloser Bastard anruft.
Ich hebe
ab.
"Hallo?", sage ich.
"Wer ist da?", sagt er.
"Ich denke,
ich bin's", sage ich. Wozu habe ich den Kurs 'ErfolgreichesVerhandeln am
Telefon' absolviert?
"Wer ich?"
"Wird das ein Oestereicherwitz?"
sage ich, waehrend ich mit allen verfuegbaren Fingern auf den Feind
ballere.
ZU SPAET. YOU GOT KILLED. GAME OVER.
Meine Laune sinkt von minus
zweihundert auf den absoluten Nullpunkt.
"Was kann ich fuer Sie tun?" Stimme
so weich wie Kaschmirwolle - (einuntruegliches Warnzeichen!)
"Aehm, Ich
haette gerne gewusst, ob wir ein bestimmtes Software- Paket
haben..."
"Was fuer eine Software ist das?"
"Aehm, sie heisst
B-A-S-I-C."
> klickerdiklackerdiklick r-m b-a-s-i-c.e-x-e
<
"Hm, tut mir leid, haben wir nicht. Wir hatten das
mal..."
"Oh. Na gut, die andere Sache, weswegen ich anrufe: koennte man
alle Daten in meinem Account auf Band kopieren. Dann haette ich eine
Sicherheitskopie zu Hause, im Falle eines Falles..."
"Im Falle eines
Falles?"
"Ja, falls sie zum Beispiel aus Versehen geloescht werden oder
so ..."
"GELOESCHT! Ah, machen Sie sich da mal keine Sorgen. Wir machen
doch Backups." (Ich bin so ein Schwein!) "Wie ist Ihr Username?"
Er gibt
mir seinen Usernamen. Nicht sehr helle!
> klickediklackediklick
<
"Aber Sie haben doch gar keine Daten in Ihrem Account!" sage ich,
baffes Erstaunen in der wohlmodulierten Stimme.
"Natuerlich habe ich
Daten. Sie schauen sicher an der falschen Stelle!"
>
klickediklackediklick <
"Ah, stimmt. Ich war falsch", sage
ich.
Hat er nicht gerade 'Typisch' in seinen Bart gemurmelt? Mein lieber
Freund...
"Ich Wollte sagen: DER USERNAME EXISTIERT GAR
NICHT."
"Was?" Wimmern in der Leitung. "Aber da muss einer sein. Ich habe
doch erst heute morgen darin gearbeitet!"
"Aha! Da liegt das Problem.
Sehen Sie, da war ein Virus im System heutemorgen. Der ... aeh .. Leonardo da
Vinci Virus. Loescht alle User, die gerade eingeloggt sind, wenn er
losbricht."
"Das kann nicht sein. Meine Freundin war auch eingeloggt, und
jetzt bin ich gerade in ihrem Account!"
"Und welcher ist das?"
ER
SAGT ES MIR. MANCHE LEUTE LERNEN'S NIE.
"Ah, ja. Den Account konnten wir
gerade noch retten."
> klickediklackediklick <
"Sie hat nur alle
Daten verloren."
"Aber..."
"Keine Sorge. Wir haben doch alles auf
Backup."
"Oh, Gott sei Dank!!!"
"Auf Lochstreifen-Backup! Haben
Sie einen Leser dafuer? Wir nicht! Viel Spass!!!"
Ich bin so ein
Hund!
Kapitel 3
Mein Job ist so eine
Hetze, dass ich kaum dazu komme, kurz mal ins Kino zu fahren, bevor die Leute
ihre Ausdrucke abholen kommen. Die Queue ist sowieso viel zu voll, als dass ich
alles rechtzeitig ausdrucken (und sortieren) koennte. Also kille ich alle die
kleineren Jobs bis auf zwei, und die lassen sich im Nu sortieren.
Nach
dem Film (einer von diesen Endlos-Bertoluccis, wo der Held nach drei Stunden
endlich in grandiosen Visionen zugrunde geht), komme ich zurueck, um die
Ausdrucke auszugeben.
Etwa fuenfzig Leute warten draussen und ich habe
zwei Ausdrucke. Stimmt ziemlich gut mit meinem Durchschnitt ueberein.
Andererseits haette ich mehr killen sollen. Egal, ich lasse die beiden Ausdrucke
elegant auf den Tisch gleiten, drehe mich um und gehe betont langsam zurueck in
meinen Glaskasten. Dabei halte ich deutlich sichtbar das Clipboard in der Hand,
das mit dengrossen roten Buchstaben 'ACCOUNTS TO REMOVE' auf der Rueckseite.
Keiner sagtein Wort. Wie immer.
Ich sitze wieder gemuetlich im Operator
Sessel und beobachte den Ueberwachungs-Monitor, der zufaellig mit dem
Videoplayer aus der medizinischen Optik verbunden ist (zur Reparatur hier;
geschaetzter Termin der Ruecklieferung irgendwann in 2001). Ploetzlich klingelt
das Telefon. Das muss heute schon das zweite Mal sein, und es beginnt mir auf
die Nerven zu gehen.
"Ja?" sage ich und halte das Bild an.
"Ich
hab' aus Versehen meinen Lebenslauf geloescht", sagt die Stimme am anderen
Ende.
"Tatsaechlich? Wie war Ihr Username?"
Er sagt es mir.
Sch...., wie langweilig.
"Ah, nein. Nicht Sie haben ihn geloescht - ich
war's."
"Was?"
"Ich hab' ihn geloescht! Er war voll mit Sch...! In
keinem einzigen Fach was Besseres als 'ne zwei!"
"Haeh?"
"Und der
Mist mit dem Austauschstudium - das war Ihre Freundin, und wir beide wissen
das!"
"Haeh??"
"Na, Ihre Studienangaben. Ich hab's nachgeprueft.
Sie haben gelogen."
"Wie haben Sie ..." Es klickt deutlich hoerbar. "Oh,
nein. SIE sind's! Der BASTARD OPERATOR FROM HELL!"
"Leibhaftig, am
Telephon und in Ihrem Account. Es waere wirklich besser gewesen, nicht
anzurufen, wissen Sie. Vor allem haetten Sie Ihren Usernamen lieber fuer sich
behalten sollen..."
< klickediklackediklick >
"Tja, und dann
haetten Sie dem System Manager keine so boese mail schicken duerfen. Eine mail,
die ausdrueckt, was Sie von ihm halten - in huebschen Bildern!"
"Ich habe
keine ..."
< klickediklackediklick klick >
"So? Haben Sie
nicht? Wer kann das noch sagen heutzutage? Keine Sorge, baldwird alles vorueber
sein...."
< klickediklackediklick klick >
" ... noch den
Usernamen zurueckaendern ..."
< klickediklackediklick
>
"B-b-b-b", blubbert er, wie eine desynchronisierte
PDP-11.
"Leben Sie wohl", sage ich ueberfreundlich. "Ich denke, Sie
sollten jetzt besser packen. Viel Spass beim Neubeginn."
Ich lege
auf.
Zwei Sekunden spaeter laeutet das rote Telefon. Es ist der Boss. Er
knurrt den Usernamen - von wem wohl? - und etwas ueber eine schweinische mail.
"Sie wissen, was Sie zu tun haben ..." mit den Punkten und
allem.
Spaeter, im Abrechnungscomputer der Staedtischen
Elektrizitaetswerke, waehrend ich die naechste Rechnung des armen Schweins um
ein paar Nullen korrigiere, wundere ich mich wieder einmal ueber diesen
hartnaeckigen und unglaublichen Mangel an Urteilsvermoegen - welche Bloedheit
kosmischen Ausmasses treibt sieimmer wieder dazu, bei mir anzurufen. Noch
spaeter, als ich im FBI-Computer sein Photo von der WWW-Page in die
Gesuchtenliste kopiere (die mit dem Label'Dringend gesucht, bewaffnet und
gefaehrlich, sofort schiessen'), komme ich zu dem Schluss, dass ich es wohl
niemals wissen werde - aber das Leben geht weiter.
Ein paar Stunden
spaeter sehe ich die GSG 9 sein Apartment umstellen, und mir wird klar: fuer ein
paar von uns wird es das nicht.
Aber morgen ist ein neuer Tag.
Kapitel 4
Es ist Donnerstag und ich
bin guter Laune. Es ist Zahltag. Ich denke, ein paar Anrufe koennen nicht
schaden. Also lege ich den Hoerer zurueck auf die Gabel. Es
laeutet.
"Seit Stunden versuche ich Sie zu erreichen!" schreit eine
Stimme am anderen Ende.
"Nanana, STUNDEN koennen's gar nicht gewesen
sein", sage ich, waehrend ich 'Blade Runner' ins Cover zurueckstecke und mir die
Rueckseite anschaue. "Allenfalls 114 Minuten. Ich hatte einen langen Chat mit
dem grossen Boss. Versuchte, bessere Technik fuer unsere Benutzer
herauszuschlagen."
Eins, zwei, drei ...
"Oh, tut mir
leid."
"Macht nix. Ich bin nicht nachtragend."
Ich nehme mir vor,
sein Passwort in den naechsten Tagen etwas abzuaendern, in etwas, worauf er
nicht so schnell kommen duerfte.
"Aehm, ich weiss nicht, wie ich ein File
umbennen kann", sagt er.
Oh, Gott... Moment, es ist ja Zahltag, nicht?
Also bin ich guter Laune. "Aber klar. Tippen Sie nur 'rm' und den
Filenamen."
"Vielen Dank."
"Keine Ursache."
(Jetzt bin WIRKLICH
guter Laune. Vielleicht sollte ich heute das Skript fertigschreiben, das
Abspeichern zu bestimmten, zufaellig gewaehlten Zeiten unmoeglich macht.) Das
Telephon laeutet wieder.
"Hallo?"
"Hallo, ebenfalls", sage
ich.
"Ist das der Kontrollraum?"
"Aber klar doch", sage ich,
zuckersuess.
"Koennten Sie mir bitte meine Ausdrucke herausbringen? Ich
brauche sie dringend, und der Ausdruck muesste schon seit fuenf Minuten zu Ende
sein."
"Ihr Username?" frage ich.
Er gibt ihn mir, und ich notiere ihn
fuer spaeter.
"Kein Problem. Moment.", sage ich und gehe 'rueber zu den
Druckern. Ein RIESEN Haufen von Ausdrucken liegt auf dem Boden. Und,
tatsaechlich, sein Dokument liegt ganz oben auf. Ich breite es ueber dem Haufen
aus und spruehe grosszuegig unser Spezialfleckenwasser in die Gegend. Dann fahre
ich den schweren Bandwagen ein paar Mal darueber und klemme es zum kroenenden
Abschluss vier, fuenf Mal in die schwere Safetuere ein, wo wir die
Backup-Baender aufbewahren sollten.
Huebsch.
"Hier sind Ihre
Ausdrucke", sage ich, "Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Wir haben
ein paar kleinere Probleme mit dem Drucker."
Ein Blick und er macht sich
fast in die Hose.
"Oh, Gott! Kann ich es nochmal drucken?" fragt er
besorgt.
"Aber klar doch", sage ich. "Aber, wie gesagt, unser Printer ist
nicht besonders gut drauf heute."
"Aeh, kann ich es auf dem Laser drucken
- funktioniert der?"
"Natuerlich, aber das kostet eine Kleinigkeit", sage
ich, Mitgefuehl verstroemend.
"Egal, was es kostet! Das ist
hyper-dringend!"
Ich schleiche zurueck in den Druckerraum und suche die
Toner-Kassette, die wir fuer spezielle Faelle aufbewaren - die mit den dicken
schwarzen Streifen in der Mitte und den blassen Raendern. Ich habe auch ziemlich
lange gebraucht, bis sie so gut funktionierte. Der Ausdruck kommt raus und ich
bringe ihn sofort nach vorne. Bloss nichts verpassen.
"W-w-w-was ist denn
jetzt passiert", winselt mich der Geck an.
Gut, dass ich den Usernamen
notiert habe - Geistige Folter ist vielleicht doch etwas, wofuer ich mich
laengerfristig begeistern koennte.
"Aeh, nichts. Ich meine, klar: es ist
nicht perfekt. Aber der Toner hat auch schon 47 Tausend Seiten drauf und wurde
17mal nachgefuellt. Ich finde, es ist noch gut gegen das, was wir sonst so
bekommen."
Der Geck zahlt und beginnt zu wimmern.
"Na, kommen Sie.
Kein Grund zum Heulen. Haben Sie die Arbeit auf Disketten?" Er gibt mir eine
kleine Plastikbox mit Disketten. Ich huepfe schnell rein und lege sie kurz auf
den Loesch-Magneten. Ich gehe wieder hinaus.
"Tut mir so leid, aber mir
faellt gerade ein, dass unser Lesegeraet hinueber ist. Sie muessen damit zu dem
Druckerraum U am anderen Ende des Campus - kennen Sie den? - und es dort
ausdrucken. Dort sollte es klappen. Die haben gestern einen neuen Toner
bekommen."
"SUPER!"
"Gern geschehen. Und denken Sie daran: immer
die Disketten hoch ueber den Kopf halten. Das Erdmagnetfeld ist heute wieder
extrem stark."
"Haeh???"
"Keinen langen Reden. Machen
Sie's."
Er marschiert los, die Disketten hoch ueber dem Kopf. Manchmal
hasse ich mich selbst.
Kapitel 5
Die dauernde Langeweile
bringt mich um. Also lese ich User email, um die Zeit tot zu schlagen.
Allerdings muss ich zugeben, dass die heutige Lieferung auch nur zum Gaehnen
anregt. Nicht eine wirklich gute Nachricht darunter. Nicht mal versteckte
Andeutungen ueber Fummeln im Supermarkt, wie sonst. Gar nichts. Statt dessen
muss ich mir den ueblichen Sch... zu Gemuete fuehren: Welcher Verwandte wann
welche Art von Operation ueber sich ergehen lassen muss, und welche es nicht
ueberlebt haben, wie das Wetter auf der anderen Seite des Erdballs ist - die
Sorte von Redundanzmails, die nur unsere Queues vollknallen!
Um die Sache
etwas aufzulockern, hole ich eine persoehnliche Partyeinladung aus einer
Mailbox, poste sie unter dem Namen des Senders in
alt.singles.with.severe.social.dysfunctions im USENET und mache eine Notiz in
meinem Kalender, damit ich rechtzeitig dort bin - mit meiner Videocamera.
Koennte was werden!
Was steht als naechstes an? Ah ja, die medizinische
Datenbank, in der die Vertrauensaerzte der Uni die Krankheitsgeschichten der
Angestellten speichern. Ich grepe schnell mal durch nach 'Herpes' und
'Syphillis' und verkaufe die Ergebnisse an die lokale Boulevardpresse.
Um
meine Spuren zu verwischen, gehe ich in den Account des Oberarztes und fuege
dort folgenden Eintrag in sein online Tagebuch ein:
"DM 500, Med. Daten
an Zeitung"
Sollte ausreichen!
Ich schichte ein paar Baender aus den
Regalen auf den Laborwagen und zurueck, damit es so aussieht, als ob wir sie
tatsaechlich verwenden. Dann gehe ich in Archie und suche nach einem bestimmten,
verborgenen X-GIF Server, von dem ich gehoert habe. Als ich ihn finde, starte
ich einen Batch unter einem User-Account um die Bildchen 'runter zu laden -
natuerlich auf seine Kosten. Gerade noch rechtzeitig faellt mir ein, ob auch
genug Speicherplatz fuer die Bilder frei ist. Um ganz sicher zu gehen, entferne
ich alle Dateien auf der Platte, die nicht direkt mit dem Batch zu tun haben.
Zum Beispiel die ganzen LaTeX Dokumente "diss*.*"; die sind in letzter Zeit
sowieso schon wieder viel zu gross geworden.
Zurueck in User email schaue
ich, ob sich inzwischen was getan hat. Naaah. Schliesslich grepe ich alle files
nach 'schwanger', 'Scheidung' und 'Therapie' und poste sie anonym in eine lokale
Klatsch- Newsgroup.
Dann, bevor ich auch nur piep sagen kann, ist der
Strom weg! In der naechsten Sekunde laeutet schon das Telefon.
"Hallo?"
sage ich, wuetend - der Coyote hat den Roadrunner gerade fast am Wickel
gehabt!
"Was ist mit dem Comp..."
Ich haenge auf. Jetzt geht's um
Leben oder Tod. So schnell ich kann, reisse ich das Stromkabel des Mainframes
aus der Notstromversorgung und schliesse fieberhaft mein TV daran an. Verdammt!
Der Roadrunner war wieder schneller!
Inzwischen fangen ueberall die
Warner an zu jaulen, weil die Hauptplattenspeicher 'runterfahren. Aber was
soll's? Mein Mac und mein Terminal sind sowieso fest mit der Notstromversorgung
verbunden, und ich bin im Beer Factory Level in Dark Castle.
Das Telefon
klingelt schon wieder. Also lasse ich die Kommunikationssicherung am
Notstromschaltkreis herausschnappen und endlich ist Ruhe. Um ganz sicher zu
gehen, hole ich den Hockeyschlaeger aus dem Spind und uebe ein bisschen
Einer-gegen-die- Wand. Durch das Glasfenster schaut das aus, als ob ich wie ein
Wahnsinniger nach dem Fehler suche - wie ueblich.
10 Minuten spaeter ist
der Strom wieder da und die Diagnose meldet zwei Hard Disk Crashs auf dem Main
Level, zum Teufel damit! Ich habe keinen Mann verloren, bin kurz vorn letzten
Level und im TV kommen noch mehr Cartoons!
Das andere Telefon laeutet,
ein User (welch Ueberraschung!).
"Kontrollraum", sage ich, so richtig im
Stress.
"Wann wird der Computer..."
Ich lege auf.
Im Moment
komme ich ganz gut voran. Nur noch ein Wizard, der unablaessig Bannflueche
schleudert, steht zwischen mir und dem letzten Bild. Gleich bin ich
drin!
Das Telefon laeutet schon wieder! Mit einem raschen Hieb schalte
auf Freisprechen.
"Kontrollraum", bruelle ich, voll
involviert.
"Ich hab' meine Files geloescht. Meine Daten sind weg",
winselt ein User ueber den Lautsprecher.
"Aber sicher doch", sage ich,
weil ich mich nicht erinnern kann.
Diese Bemerkung genuegt, um mich den
Bruchteil einer Sekunde abzulenken. Der Wizard nagelt mich in den Boden und
schmeisst mir noch einen Feuerball hinterher. GAME OVER.
"Wie war Ihr
Username?" sage ich mit Honig gesalbter Stimme.
Er sagt es mir. Ich
schaue nach - und er hat recht. Sch...., dabei war ich es nicht mal!
Um
meinen guten Ruf zu wahren, wechsele ich sein Login Directory nach /dev/null,
setzte seinen Pfad auf '.' und setzte einen alias auf sein 'news' Kommando,
welches ein scheussliches kleines Skript in seinem frueheren Home Directory
startet. Das Skript schickt eine nicht mehr ganz politisch korrekte email an die
Beauftragte fuer Gleichberechtigungsfragen der Uni und loescht sich
anschliessend selbst.
Wohl bekomm's!
Kapitel 6
Es ist Freitag; also gehe
ich frueher zur Arbeit, sogar noch vor dem Mittagessen. Das Telefon klingelt.
Sch....
Ich blaettere den Ausredenkalender um.
"Sonneneruptionen"
steht da. Ok, darueber muss ich erst ein bisschen recherchieren. Zwei Minuten
spaeter bin ich fit fuer den ersten Anruf.
"Hallo?" sage ich.
"WO
SIND SIE GEWESEN! ICH HABE SCHON DEN GANZEN VORMITTAG ANGERUFEN UND NIEMAND GEHT
RAN!"
Ich hasse es, wenn sie mich schon am fruehen Morgen anbruellen. Es
deprimiert mich irgendwie. Sie wissen, was ich meine ...
"Aeh, ja. Tja,
wir hatten heute morgen auch wieder extrem starke Sonnenaktivitaet. Das kann
boese Auswirkungen auf die Kommunikationsleitungenhaben...", sage ich,
zuckersuess.
"Haeh? Aber sonst habe ich doch jeden
erreicht?!"
"Tja, das ist durchaus moeglich. Die Auswirkungen erhoehter
Sonnenaktivitaet sind ziemlich un-vor-her-seh-bar. Letzte Woche hatten wir sogar
den Fall, dass ein paar Files einfach vor den Augen ihres Besitzers verschwunden
sind,waehrend er noch damit gearbeitet hat..."
"Wirklich?"
"Kein
Sch...! Aeh, wollen Sie, dass ich Ihren Account schnell checke?"
"Aeh,
ja. Ich hab ein paar wichtige Dateien drin..."
"Ok, wie war noch Ihr
Username ..."
Er sagt ihn mir. Ehrlich, eine Muecke mit einem Sprengsatz
zu erledigen, ist schwieriger. Mit einem atomaren Sprengsatz. Mit AWAC
Unterstuetzung. Sch....!
(Ich verzichte ab jetzt auf den
klickediklackediklick Teil, ok?)
"Wieviele Dateien sind in Ihren
Account?" frage ich.
"Aehm, also, etwa 20 in meiner Doktorarbeit, circa
10 mit den Daten dazu, und noch etwa 20 fuer das Buch, das ich gerade
herausgebe."
"Hm. Ich glaube, wir schauen erst mal, was noch zu retten
ist. Also,da sind noch zwei Files lesbar, .cshrc und .login
..."
"AAAAAAAAAAAaaaaaaaaaarrrrrrrrrggggggghhhhhhhh!!!!!!!"
Er
schluchzt leise ins Mikrophon - mir kommen auch die Traenen!
"Was mach'
ich nur?" schnueffelt er.
"Ok, haben Sie irgendwas davon auf Floppy
gesichert?"
"Schon, aber die sind schon Wochen alt!"
Ich spiele
mit dem Schalter des Floppy-Loeschers.
"Ok", sage ich, "wie waer's, ich
komme kurz rueber und lade die Backups in Ihren Account, damit Sie pronto
weiterarbeiten koennen?"
"Das waere toll", wimmert er, "aber die Floppys
habe ich zu Hause. Ich fuerchte, die muss ich heut' Nacht selber
runterladen."
"Gut. Aber denken Sie daran, was ich vorhin gesagt habe:
Sonneneruption sind Gift fuer Disketten und Maschinen. Sie muessen Ihre Floppys
unbedingt vor der gegenwaertigen Sonnenaktivitaet schuetzen. Sonst verlieren Sie
noch alle Daten."
"Wie mach ich das? Sie in Alufolie wickeln?"
"UM
GOTTES WILLEN, NEIN! Alufolie ist das Schlimmste! Sie wissen doch was mit
Alufolie im Microwellenherd passiert, oder?!"
"Doch.."
"Dann
verwenden Sie's auch nicht! Es gibt nur eine sichere Methode,
Diskettenerfolgreich zu schuetzen..."
"Und wie?"
"MAGNETISCHE
FELDER! Packen Sie Ihre Floppys in einen Kopfkissenbezug gefuellt mit moeglichst
vielen Magneten. Sie koennen zum Beispiel die von Ihrem Kuehlschrank nehmen. Sie
wissen schon, mit denen Sie ihre Zettel dort festpinnen - Solarpartikel hassen
magnetische Felder."
"Wow. Danke."
"Gern geschehen. Es ist nur
mein Job..."
Sch...., ich mache Fortschritte.
Kapitel 7
Ich finde, so ein
verantwortungsvoller Posten wie meiner sollte mit einer angemessenen
Mittagspause verguetet werden. Fuer die paar Stunden setze ich den Hausmeister
auf meinen Stuhl, damit es nicht so aussieht, als wir unsere Pflichten
vernachlaessigen wuerden (sic!). Ich erklaere ihm, dass er nur darauf achten
muss, dass der Hoerer nicht aus Versehen auf der Gabel landet. Er ist
einverstanden und ich verschwinde.
Zuerst die Bank. Ich lasse 20 Mark in
Zehnpfenningstuecke wechseln und frage dann nach meinem Kontostand. Waehrend der
Angestellte noch tippt, ziehe ich unauffaellig den Netzstecker von seinem
Endgeraet. Es stirbt natuerlich und ich sage, dass ich in Eile bin und dass ich
gerne den Manager von diesem Sauladen sehen moechte.
Er walzt durch die
Tuer wie ein gut gefuettertes Riesenbaby und fragt mich, ob es ein Problem
gaebe. Ich sage, alles, was ich wolle, sei mein Kontostand und ob das denn
zuviel verlangt sei und dass ich immernoch in Eile sei. Dann kreuze ich die
Finger. JA! Er findet das herabhaengende Netzkabel, steckt es wieder rein und
loggt sich ein, MIT DEM MANAGER ACCOUNT.
Ich stolpere wie zufaellig an
den Schalter und stosse aus Versehen 200 Zehnpfenningstuecke hinunter. Der
Manager beachtet mich nicht, aber alle anderen tauchen nach den Muenzen. Ich
beobachte ungestoert, wie er sein Passwort eintippt - mit der halsbrecherischen
Geschwindigkeit von einem Zeichen pro Sekunde! Gar kein Problem, der Hardliner
macht es mir sogar noch leichter, indem er ein semantisches Wort als Passwort
gewaehlt hat: ZINSEN. So ein Scherzkeks! Ich verziehe keinen Gesichtsmuskel.
Nicht ganz einfach, wenn ich an meine ueberschuldete Hypothek denke. Heute Nacht
werde ich da einiges richtigstellen...
Ein Benutzer, den ich noch vom
D(eletion)-Day '94 kenne, naehert sich, um mich anzuquatschen. Sogar der Manager
schuettelt abwehrend den Kopf, aber es ist zu spaet. Er haelt direkt vor mir und
richtet das Wort an mich!
"Aehm, Entschuldigung. Koennten Sie mir einen
Tip geben, welchen Computer ich am besten fuer meine Diplomarbeit
kaufe?"
?!
Genau.
"Schon mal vom neuen Macintosh-Power-PC
gehoert?" frage ich.
"Ja..."
"Meiden Sie den wie die Pest! Kaum
jemand weiss das, aber man handelt sich fuerchterliche Probleme ein, wenn man
ein Betriebssystem so schnell laufen laesst. Manche von den Kisten machen ueber
100 Millionen obstructions per second. Sie koennen sich ja vorstellen, dass da
eine solch billige Kiste aus dem Takt kommen muss, nicht? Die Katastrophe ist
praktisch vorprogrammiert!"
"Oh!"
"Nehmen Sie lieber was Sicheres
und Bewaehrtes. Ein ZX81 mit dem doppelten Cassettenlaufwerk, wenn Sie das
kriegen koennen. Im Vertrauen: Die sind nicht mehr leicht zu bekommen, weil alle
Leute, die wirklich was davon verstehen, natuerlich nur bewaehrte Technik
kaufen. Kaufen Sie bloss keine Harddisk dazu. Sie haben doch sicher schon
gehoert, wie oft die kaputtgehen? Cassetten dagegen halten ewig!"
"Danke,
super!"
"Keine Ursache! Wie war doch noch gleich Ihr Username?"
Er
sagt ihn mir. Gerade noch rechtzeitig fuer D-Day 96. Man sollte meinen, dass
sie's irgendwann lernen!
Zurueck an meinem Arbeitsplatz finde ich den
Hausmeister - eingeschlafen vor dem Terminal. Ich frage ihn, ob er nicht lieber
hier arbeiten moechte, aber er lehnt dankend ab. Hier hat er nicht die
Moeglichkeit, Leute in der Toilette aufzuschrecken...
Ich lege den Hoerer
zurueck auf die Gabel und sofort klingelt es. Ich hasse es, wenn es das tut. Ich
brauche immer eine Ewigkeit, die Earphones nachher wieder
reinzupfriemeln.
Diesmal ist es anders. Die heisseste Mieze auf dem
Campus ist dran - und sie hat ein Computerproblem! Ich liebe solche Augenblicke.
Sie machen den Job erst dazu, was er ist.
"Wie ist Ihr Username?" frage
ich - als ob ich es nicht auswendig wuesste.
So schnell ich kann ueberfliege
ich ihre persoenliche email - das meiste nur todlangweiliges Zeug - und grepe
die gesamte User email nach ihrem Usernamen. Nichts - vortrefflich!
"Wie
kann ich Ihnen helfen?" floete ich charmant.
"Ich kann mein Dokument
nicht abspeichern. Es sagt etwas mit zuwenig Speicherplatz."
"Das werden
wir gleich haben", sage ich und loesche alle anderen Files auf ihrer Platte -
ausser den ihrigen natuerlich. "Jetzt sollte alles funktionieren..."
"Oh,
vielen, vielen Dank", haucht sie ins Mikrophon.
Ich notiere mir, dass ich
morgen wieder etwas an ihren Account herumdoktere.
Das Telephon laeutet,
fast bevor ich es wieder auf der Gabel habe.
"Meine Daten sind alle weg!"
schreit jemand am anderen Ende.
"Wann war das?" frage ich.
"Gerade
eben...", sagt er schluchzend.
"Aha. Tja, Kopf hoch. Es sind noch drei
Tage bis zum Semesterende. Wenn Sie Tag und Nacht dran bleiben, werden Sie schon
noch eine Drei minus schaffen:" Er schluchzt noch zwei-, dreimal leise und legt
auf. Schwaechling!
Das Telephon laeutet schon wieder!
"Der
Bildschirm an meinem PC ist so schwach. Ich kann kaum die Buchstaben erkennen.
Soll ich den Helligkeitsregler hochdrehen?"
"NEIN!" schreie ich. "Fassen
Sie den Knopf nicht an! Haben Sie auch nur die leiseste Ahnung, was da fuer eine
Strahlung 'rauskommt, wenn Sie den Knopf ganz zum Anschlag
drehen?!"
"Also ich .." sagt sie verunsichert.
"HOEREN SIE AUF
MEINEN RAT!" sage ich. "Es gibt nur einen SICHEREN WEG, ein schwaches Display
aufzumoebeln, und das ist: Nadelenergieimpulse in die Treiber geben!"
Die
Worte 'Nadelenergieimpulse ' und 'Treiber' sind zuviel fuer sie. Wenn Leute
solche Ausdruecke hoeren, gehen sie automatisch in 'dummy mode' und machen
ALLES, was ich sage. Ich koennte ihr jetzt vorschlagen, nackt, nur mit einem
Netzkabel bekleidet ueber den Campus zu sprinten und sie wuerde es
wahrscheinlich machen...Hmmmm.
"Haben Sie zufaellig ein uebriges
Netzkabel 'rumliegen?"
"Nein..."
"Oh, naja. Dann muessen wir das
mit den Nadelimpulsen probieren... Also, Sie schalten jetzt so schnell Sie
koennen Ihren PC ein und aus. Einfach den Kippschalter hin und herflippen,
verstehen Sie? Etwa dreissig mal."
"Soll ich vorher meine Disketten
'rausnehmen?"
"NEIN! Wollen Sie alle Ihre Daten verlieren?!"
"Oh.
Nein, natuerlich nicht. Also..."
Ich lausche gespannt.
..klick klack
klick klack klick klack klick klack klick klack kl BUMM! Erstaunlich! 27 oder
28. Normalerweise macht sich das Netzteil schon nach dem achten oder neunten Mal
in die Hose!
"MEIN COMPUTER! ER RAUCHT!" schreit sie am anderen
Ende.
"Wirklich?? Da muss ein Fehler im Netzteil gewesen sein! Gut, dass
wir das geklaert haben! Haben Sie noch Garantie auf die
Maschine?"
"NEIN!"
"Du liebe Guete! Was fuer ein Pech! Tja, dann
hilft nur reparieren lassen. Haben Sie wenigstens Ihre Daten
gesichert?"
"Ja, ins System, gestern erst. Aber die ganze Arbeit von
heute morgen ist futsch!"
"Sie Aermste! Wie war Ihr Username? Ich will
gleich mal checken, ob Ihre Backups ok sind..."
Sie sagt ihn
mir...
Kapitel 8
Ich sitze wie ueblich an
meiner Konsole. Ein Benutzer ruft an.
"Hallo, Kontrollraum. Simon am
Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?" sage ich.
"Ich komme nicht in meinen
Account" nuschelt es am anderen Ende.
"Wie lautet bitte Ihr Username?"
frage ich.
Sie geben mir ihren Usernamen. Ich schaue in ihren
Account.
"Kein Problem, da war nur ein nicht-ausfuehrbares login file.
Ich hab's richtig gestellt. Jetzt sollten Sie ohne Probleme
'reinkommen."
"Danke."
"Kein Ursache. Schoenen Tag
noch!"
HaeHH?! fragen Sie sich jetzt. Ist der BASTARD OPERATOR FROM HELL
endlich zum Guten bekehrt worden? Hat er aufgegeben?? REIF FUER DIE
KLAPPSMUEHLE???
Naaah. Der BASTARD OPERATOR FROM HELL wird ab heute
ueberwacht. Alle Aktionen im Mainframe werden automatisch protokolliert. UND
WENN DAS PASSIERT, werde ich normalerweise auch abgehoert! Also muss ich huebsch
brav sein, bis ich die Bugs entdeckt habe. Sollte nicht allzu lange dauern -
vertrauen Sie mir!
Ah. Da haben wir schon eins. Im Telefonhoerer, klar.
Aber der Boss ist einer von der witzigen Sorte. Ich wette, da sind noch mehr.
Ahja, ein anderer unter dem Telefon und ein dritter in meinem Keyboard. Zeit
fuer eine kleine Kaffeeschlacht. Drei auf einmal.... hmmm. Ich bringe mal besser
die ganze Kanne und warte auf Zeugen. Der System Manager kommt
herein.
"Wo bleibt der Bericht, den ich gedruckt habe?" fragt er mit
saurer Miene - er aergert sich offensichtlich, dass ich mich am Telefon noch
nicht ans Messer geliefert habe. Widersacher identifiziert! Wie der Direktor der
"BASTARD OPERATOR SCHOOL" (ich!) immer zu sagen pflegt:
"Es gibt kein
Problem das sich nicht loesen laesst, indem man dieBenutzerprozesse killt, alle
ihre files loescht, ihre Accounts sperrt und ihre tatsaechlichen Einnahmen dem
Finanzamt zukommen laesst."
Ich ziehe den Ausdruck unter der Kaffeekanne
hervor, wo ich plaziert hatte und die Kanne ergiesst sich ueber Telephone und
Keyboard. Aus irgendeinem Grund standen beide uebereinandergestapelt in der
Naehe.
"Uuuups!" sage ich. Entsetzen malt sich auf meinem
Gesicht.
Sein Gesicht sagt mir, dass ich richtig lag.
"Glauben Sie
ja nicht, dass Sie damit davonkommen, Simon", knurrt er und stampft
hinaus.
Ich schalte den Ethernet Monitor ein und beobachte die Pakete,
die aus seinen Pc kommen.
Ah. Ein Memo geht an den Laser im Buero des
Direktors. Inhalt: Beendigung meines Kontrakts, fristlos. Ich mache schnell ein
paar notwendige Aenderungen an dem File, solange es im Spooldirectory liegt und
lasse es dann an seine urspruengliche Adresse weitergehen.
Ich starte
mein Programm 'endzeit', das -522 auf den PC knallt und der Mainframe macht sich
in die Hose. Spaeter, beim Booten, entferne ich das laestige Logging.
Als
naechstes gehe ich in den Kabelraum und stecke meinen Walkmankopfhoerer in den
freien RS232 Port aus dem Buero des Direktors. Es ist erstaunlich, wie leicht
man bugs ausstreuen kann, wenn man weiss, wo die Datenleitungen
laufen!
Direktor: "Sind Sie sicher?"
SysMgr: "ABSOLUT
SICHER!"
Direktor: "Und Sie wollen es sich nicht nochmal
ueberlegen?"
SysMgr: "AUF KEINEN FALL!"
Direktor: "Nun gut, ich
werde es sofort an die Personalabteilungweiterfaxen..."
SysMgr:
"HERVORRAGEND!"
Zwei Sekunden kommt der Systemmanager herein. Er
laechelt. Es sieht aus wie das Laecheln eines grossen, satten
Haifischs.
"Tja, ich werde Sie vermissen, Simon...", beginnt, noch ganz
erfuellt von der eben geleisteten Entscheidung.
"Oh?" sage ich
zuckersuess und heuchele Neugier. "Wohin gehen Sie denn?"
"Nein, Simon",
sagt er genussvoll, "Sie gehen:"
"Eine BEFOERDERUNG!" sage ich. "Sie
haben endlich diesen Brief an den Direktor geschickt, dass er ein gottverdammtes
Arschloch ist und dass Sie aufhoeren?"
"Nein..."
"Sind Sie sicher?
Der ist aber viel besser als der ueber meine Entlassung..."
"W..." Seine
Pupillen weiten sich eine kleine Idee.
Es ist, als ob man ein Walross mit
dem Sofakissen erschlagen wuerde. Er rast los, um das Fax zu stoppen. Nur,
nachdem er gerade gekuendigt hat, < klickediklackedi > funktioniert sein
card key nicht mehr ...
Anfaenger...
Das Telephon klingelt. Es ist
derselbe wie vorhin.
"Ich komm' jetzt in meinen Account, aber ich hab'
keinen Speicherplatz mehr auf der Platte..."
"Moment, ich schau, was ich
tun kann."
> klickediklackedi <
rm -r *
Kapitel 9
Ich fahre zur Arbeit und
klebe hinter diesem alten Trottel, der klassische SLOW DRIVER FROM HELL. Sein
Tacho hat bei 20 die rote Linie und kommt ins Schlingern, wenn er die Kurven mit
mehr als 5 nimmt. Ich verbrauche ein halbes Kilowatt in meiner Hupe, aber sein
Hoergeraet ist anscheinend auf Fluestern eingestellt. Keine Chance
vorbeizukommen!
Ich memoriere sein Kennzeichen. Genau genommen tue ich
das seitfuenfzehneinhalb Minuten sechzigmal in der Minute. Mannomannomann... Ich
denke, da ist wieder mal ein Anruf in Flensburg faellig.
Vielleicht koennte
man auch den Wagen als gestohlen registrieren. Gestohlen von Waffenhaendlern aus
dem vorderen Orient. Gefaehrlich...
Endlich in der Arbeit blaettere ich
als erstes den Ausredenkalender um. "ELEKTROMAGNETISCHE STOERSTRAHLUNG VON
FUNKTIONSUNTUECHTIGEN SATELLITEN". Klingtgut; vielleicht wird es doch noch ein
netter Tag.
Ich logge mich als "FUCKYOU" ein (der Kummerkasten-Account
fuer die Benutzer) und rufe die mail auf. Drei Nachrichten sind drin. Die erste
hat 117 Zeilen, eine Plaudertasche offensichtlich. Sch...., ich hasse
das!
Anstatt einfach zu sagen: "Der und der Account braucht mehr
Speicherplatz" fangen sie an zu erzaehlen ueber was fuer einen Mist sie fuer
welchen idiotischen Dozenten zu forschen haben und dass es schon gestern haette
fertig sein sollen, und dass sie's auch geschafft haetten, aber dann hatte die
Kusine dritten Grades ploetzlich einen Magendurchbruch und einen riesigen
Blutverlust und musste ins Krankenhaus gebracht werden... usw usw.Ich loesche
die Mail unbesehen.
Die zweite Mail stammt offensichtlich von jemandem,
der nicht mit dem Mailprogramm umgehen kann. Da ist nur der Header, aber keine
Nachricht. Ich antworte mit direktem Reply: "Keine Sorge, wir kuemmern uns
darum, am naechsten Dienstag."
Hoffentlich war's was
Wichtiges!
Die dritte Mail hebe ich mir fuer morgen auf. Samstag waere
ein gar zu langweiliger Tag - sollte ich jemals am Samstag arbeiten muessen! Das
Telephon klingelt. Ich dachte, das haette ich 'repariert'!
Ich klemme mir
den Hoerer unters Kinn, damit ich gleichzeitig die Pizza in die Mikrowelle
schieben kann.
"Ja?", rufe ich hektisch.
"Irgendetwas stimmt nicht
mit meiner Bootdisk. Ich kann den Server nicht erreichen."
"Haben Sie das
Laufwerk dabei?"
"Klar!"
Ich hole mir die Disk und stecke sie
zusammen mit der Pizza in die Mikrowelle.Fuenf Minuten ULTRA-NUKE!
Sechs
Minuten spaeter ruft er wieder an.
"Es funktioniert immer noch nicht,
aber jetzt hoere ich auch noch komische Geraeusche aus dem Laufwerk und es
riecht irgendwie angebrannt."
Angebrannt? Ich untersuche den Boden meiner
Pizza. Naaah, nix angebrannt. Dem Jungen geht nur die Phantasie
durch!
"Oh, Sch....", sage ich, " das sind wieder diese Stoerstrahlungen
von ausgemusterten Satelliten."
"Tatsaechlich? Davon hab' ich auch schon
gehoert..."
Wow!
"Aha! Tja, ich schaetze, Sie muessen sich 'ne
neue Bootdisk zulegen..."
"Oh. Naja, macht auch nix. Die alte haette es
sowieso nicht mehr langegemacht. Danke."
"Keine Ursache. Und denken Sie
immer daran, den Virenchecker FDISK ab und zu laufen zu lassen, wenn Sie
wichtige Daten auf Ihrer Disk haben..."
"Werd' ich machen.
Danke!"
"Alles klar - ist nur mein Job!"
Racing laeuft viel zu
langsam fuer einen erfahrenen Spieler; also kille ich eben mal alle Database
Prozesse, die sich den Loewenanteil an CPU holen, und gebe Racing Prioritaet
-10. Besser, viel besser.
Verdammt hart, so an der vordersten Front:
Immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit... Ich goenne mir einen schnellen
2-Stunden-Snack in der Cafeteria. In der Cafeteria sind immer alle ganz reizend
zu mir. Zumindest seit es mal diesen dummen Computerfehler gegeben hat, der ihre
Kueche als Organ- Aufnahme-Station registrierte - ziemlich laestig! Ich schnappe
mir noch ein paar Cokes und Crackers und mach' mich auf den Rueckweg, diesmal
durch die Anfaenger Labs. Informatik, erstes Semester. Ich schaue durch das
Guckloch an der Tuer: Ein ganzer Hoersaal voller Frischlinge ohne Dozenten. Das
kann nicht angehen!
Ich stosse energisch die Schwingtuere auf und
marschiere zur Tafel.
"Es geht los, Herrschaften! Ich darf um Ruhe
bitten. Sie dahinten, ja Sie, Sie sorgen dafuer, dass uns niemand stoert.
Blockieren Sie einfach den Eingang. Wer zu spaet kommt, soll sich das fuer's
naechste Mal merken. Also, ich bin ihre Vertretung heute und wir wollen jetzt
mal den ueblichen Kram, den Sie sonst machen beiseite lassen und uns ueber ein
paar fundamentale Befehle aus der Praxis unterhalten. Wir beginnen mit einer der
wichtigsten Funktionen ueberhaupt, dem REMARK-Befehl, oder, wie er allen Kennern
bekannt ist, 'rm *' ..."
Ich haette vielleicht doch besser Professor
werden sollen - ich hab' den richtigen Draht zu den jungen Leuten, wissen
Sie...
Kapitel 10
Ich soll als Experte in
einer Vorlesung "Grundlagen Systemverwaltung" auftreten; so steht es in der
Einladung. Also ueberlasse ich den Kontrollraum den bewaehrten Haenden von Sam,
dem Hausmeister, und gehe hinueber.
Die Vorlesung laeuft wie am
Schnuerchen. Gegen Ende verkuendet der Dozent, dass die Studenten "nunmehr 10
Minuten Gelegenheit haben, einem Mann der Praxis, einem richtigen Operator"
Fragen zu stellen.
Ich hole meinen Pad und Stift heraus und
sage:
"Bevor wir anfangen, folgender Vorschlag: Koennten Sie bitte Ihren
Usernamen nennen, bevor Sie eine Frage stellen. Auf diese Weise kann ich Ihnen
gewisse Probleme an konkreten Beispielen erlaeutern. Das ist einfacher zu
verstehen."
Der Dozent schluckt es - mit Senf und Catsup. Beispiele sind
per default gut. Sag niemals was gegen Beispiele an einer Uni!
"Ok, erste
Frage. Sie da drueben..."
"Wie beurteilen Sie den Schutz von
persoenlichen Daten auf einem Mehrbenutzersystem?"
"Wie war Ihr
Username?"
"CMS1103."
>kritzelkratzel<
"Schutz von
persoenlichen Daten ... Hmmm. Ein heisses Thema, wirklich. Sie denken zum
Beispiel, wenn jemand Ihre private mail liest, worin Sie sich mit Ihrem
Therapeuten unterhalten? Zum Beispiel, warum Sie sich vor Ihrer Frau immer im
Schrank
verstecken?"
"AAAAAAAAAAAAARRRRRRRRRRGGGGGGGHHHHHH!!!!!"
"Oh. Das
kam wohl nicht so gut an. Oder er musste dringend weg. War vielleicht kein so
gutes Beispiel. Naechste Frage, bitte. Ja, Sie da hinten..."
"CMS1136.
Ich wuerde gerne ..."
"Ah. 1136, der einzige User an der ganzen Uni, der
inalt.sex.buggery.by.sailors.in.mums.clothing aboniert ."
"Nur fuer rein
wissenschaftliche Zwecke!"
"Natuerlich! Fuer einen Wissenschaftler haben
Sie eine betraechtliche Posting-Statistik dort, finden Sie
nicht?"
"NNNNNGGGGGGAAAAAAAAGGGGGGGHHHHHH!!!!"
"Der naechste
bitte..."
.. .
Zwei Minuten spaeter sind wir allein im Hoersaal.
Das ist eben das Problem mit den heutigen jungen Leuten: Die wollen nichts mehr
lernen...
Ich gehe zurueck zu meinem Kontrollraum und Sam ist schon wieder
auf der Konsole eingeschlafen. Ich glaube jetzt, er ist DOCH hinter meinem Job
her. So ein Einsatz...
Ich nehme mir vor, bei Gelegenheit ein paar
notwendige Aenderungen in der Gehaltsdatenbank vorzunehmen. Man kann nie
vorsichtig genug sein...
Kranken- und Unfallversicherung braucht Sam
eigentlich nicht. Ich lege den Hoerer auf die Gabel - das erste Mal heute
nachmittag - und sofort faengt das Ding an zu rattern. ES REICHT! Um mein
Mittagsschlaefchen zu retten, leite ich den Anschluss auf 110 um. Das wird ihnen
eine Lehre sein! Ups, fast vergessen, den Ausredenkalender
umzublaettern.
"Statische Aufladung wegen Nylon
Unterwaesche"
Naaah, viel zu plausibel - obwohl, ich koennte die
Unterwaesche von Fall zu Fall persoenlich ueberpruefen... nee, lieber nicht,
weiss was dabei ans Tageslicht kommt. Ich blaettere eins
weiter.
"Statische Aufladung durch Plastik-Rechenschieber"
Na, das
ist doch mal was! Eine echte Herausforderung!
Ich hebe die
Telefonumleitung auf und plaziere dann den Papierkorb unter dem Druckerauswurf -
endlich eine technisch fortgeschrittene Loesung! Waehrend ich noch mein Werk
bewundere, laeutet es. Das koennte der grosse Wurf
werden!
"Hallo?"
"Hallo, aehm, wie kann ich mein File auf
Rechtschreibfehler pruefen?"
"Ganz einfach. Tippen Sie 'spell' und den
Filenamen."
"Danke."
Ich bin wieder mal hoellisch hilfsbereit
heute morgen. Vor allem weil ich weiss, dass meine spezielle Version von 'spell'
Fehler erzeugt, statt sie zu beseitigen. Aus 'Freund' wird 'Fruend' und
umgekehrt.
Ein Augenschmaus!
Das Telefon klingelt - sie sind's
wieder.
"Irgendetwas stimmt nicht mit dem 'spell' Programm."
"Wie
kommen Sie denn da drauf?"
"Weil mein File ploetzlich voll mit Fehlern
ist!"
"Hm, das klingt nicht gerade nach 'spell'. Sind Sie ueber Ihren
PCeingeloggt?"
"Ja, aber ich ..."
"Bitte, ueberlassen Sie die
technische Diagnose mir! Also, ist da irgendwo ein Rechenschieber auf oder in
Ihrem Schreibtisch?"
"Aehm >klapper< ja, aber..."
Aha. Haben
wir's schon. Sie haben eine statische Aufladung auf Ihrer Festplatte, verursacht
von den wechselnden elektrostatischen Feldern, die der Rechenschieber erzeugt -
Sie wissen schon: so, wie er kleine Papierfitzel anzieht, wenn sie ihn an Ihrem
Pullover reiben..."
DUMMY MODE ON
"Oh. Was kann man da
machen?"
"Sie wissen doch, wie Sie solche laestigen Papierfiezel von
Ihrem Rechenschieber weg bekommen? Genau, Sie schlagen damit auf die Tischkante,
bis die elektrischen Felder sich im Erdmagnetfeld aufloesen. Machen Sie das
gleiche mit Ihrem PC. Sagen wir, zwanzig mal - heben Sie ihn etwa dreissig
Zentimeter ueber den Tisch und lassen ihn fallen."
"Ah, gut. Bleiben Sie
kurz dran?"
"Sicher."
Das wuerde ich nicht mal fuer die Simpsons
verpassen!
>polter<
>polter<
>polter<
>klirr<
"Aeh, hallo? Der Schirm ist ploetzlich dunkel
geworden..."
"Das ist ganz normal, das macht er immer; soll er sogar.
Machen Sie weiter. Und wenn Sie mit dem PC fertig sind, machen Sie
sicherheitshalber das Gleiche auch noch mit dem Schirm. Manchmal breitet sich
die Aufladung ueber die Kabel bis in den Schirm
aus."
>polter<
>polter<
>polter<
>schepper<
..
Ich lege auf. Spaeter gehe ich raus in den
oeffentlichen CIP-Pool und traeufle unauffaellig Honig in die Schlitze der
Floppy Laufwerke, als ploetzlich ein Typ auftaucht, der verdammt wie Lee Harvey
Oswald aussieht, und mich ueber den Haufen schiesst. Aber der Knall kommt aus
dem Maschinenraum, und waehrend ich an einer blutbesudelten IBM Maschine
zusammensacke, hoere ich den Ex-System-Manger im Hintergrund
kichern...
Noch spaeter, im Krankenwagen, wird mir klar, dass ich von dem
Typen nicht mal die Userkennung habe...
Dann wird alles dunkel.
Kapitel 11
Als der Krankenwagen das
Ende des Tunnels erreichte, verschwand die Dunkelheit wieder. Vielleicht war ich
doch nicht so schwer verletzt. Vielleicht aber doch! Egal, jemand wuerde dafuer
bezahl..
In diesem Moment starb ich.
Fuer einen echten Bastard
Operator from HELL sah die Sache natuerlich etwas anders aus: Mehr wie ein
unerwarteter Urlaub.
Fuenf Sekunden spaeter bekomme ich 15 kV durch die
Brustwarzen gejagt. Unverduennt und ohne Eis! (Echte Sanitaeter wissen eben, wie
man eine todlangweilige Party belebt!)
DER BASTARD OPERATOR FROM HELL
LEBT!
Drei Wochen spaeter bin ich wieder auf den Beinen, hochgepaeppelt
von suessen Krankenschwestern, die um ihre Pensionsansprueche fuerchten. Voller
Energie sitze ich hinter meiner Konsole. Alles in allem, gar nicht so schlecht,
die Zeit im Hospital; ich koennte Baeume ausreissen!
Ich gehe rasch durch
die angehaeufte Usermail der letzten Wochen (nur damit ich nichts verpasse!),
dann lasse ich die Studenten wissen, dass ich wieder auf dem Posten bin. Ein
nicht angekuendigter Wartungszyklus, mitten in der Hauptuebungszeit; ich flippe
den Restart-Schalter. Ein wohliges Gefuehl breitet sich in mir aus. Sie werden
mich dafuer lieben!
Ich blaettere den Ausredenkalender
um.
"TREIBHAUSEFFEKT"
JA!!! Willkommen zu Hause!
Es ist
Monatsende. In Kuerze werden diese ganzen unnoetigen automatischen mailing lists
das Netz ueberschwemmen. Ich korrigiere die Systemuhr um 7 Tage nach hinten, um
mir die Performance nicht zu versauen und wechsele das neue Druckerband gegen
mein Spezialband - drei Jahre alt, mit vielen huebschen Loechern.
Ich
grabe mich durch den Stapel snail mail, der sich angehaeuft hat, und stuerze
mich als erstes auf das BOFH Journal "kill -9". Ein huebscher Artikel ist dabei,
wie man Windows 95 grausam langsam und hoellisch langweilig machen kann.
Irgendwie schaut der Artikel aus, wie die normale Installationsanleitung fuer
Windows 95 ... naja, wer weiss.
Ich blaettere mich durch bis zur BOFH
Expertenrubrik und schaue, ob irgendwelche Artikel von mir hineingekommen sind.
Alle!!! Sogar der ueber den C++ Compiler, der per Zufall Klassen umbenennt und
dies sogar im Sourcecode aendert!
Das Telephon klingelt. (Irgendwie habe
ich fast darauf gewartet!)
"Mein Bildschirm ist
dunkel!!!"
"Netzkabel!" sage ich.
"Nein, das hab' ich schon
ueberprueft. Wenn ich einschalte, passiert einfach nichts!"
"Netzkabel!"
sage ich.
"Nein! Das Netzkabel steckt richtig drin. Auch die Leuchtdioden
am Keyboard leuchten nicht!"
"Das Netzkabel!" sage ich.
"Oh,
Moment mal. Das Kabel ist nicht richtig eingesteckt!"
"Das Netzkabel?"
frage ich.
"Ja ... Sch....."
"Macht ja nix", sage ich,
"Funktioniert jetzt alles wieder?"
"Ja, ich glaub' schon. Tut mir leid.
Sie haben natuerlich recht gehabt."
"Tja, wir bekommen das haeufig in
letzter Zeit. Der Grund liegt wahrscheinlicham zunehmenden Treibhauseffekt. Die
globale Erwaermung verursacht starkstatistisch variierende thermale
Kontraktionen, welche wiederumtemperaturinduzierte Bewegungen hervorruft, deren
Reibungskoeffizienten zuAdhaesion am Plastikteilen fuehren kann..."
Ich
lausche aufmerksam. Nichts. Mit anderen Worten,<DUMMY MODE
ON>...
"Sie koennen sich zukuenftig davor schuetzen, wissen
Sie..."
"Wirklich? Wie denn?"
"Es reicht im Prinzip schon, eine
schwach basische Mineralloesung auf die Metallkontakte
aufzubringen."
"Oh!" <IRREVOCABLE DUMMY MODE ON>
"Ganz
einfach. Alles was Sie machen muessen, ist den Stecker vom Geraet abziehen und
eine schwach basische Salzloesung in die Schlitze zu traeufeln. Haben Sie eine
schwach basische Loesung zur Hand? So etwa pH 7?"
"Aeh...
nein?"
"Macht auch nichts. Stecken sie den Stecker einfach in den Mund
und lassen Sie Speichel hineinlaufen. Speichel ist schwach basisch, und er hat
Mineralsalze. ABER wischen Sie den Stecker vorher sorgfaeltig sauber, wegen
Keimen und so. Und, SCHALTEN SIE UM GOTTESWILLEN VORHER DEN MONITOR AB - wir
wollen doch nichts riskieren!"
"Oh. Gut!"
>FZZZZT<
>POLTER<
Als der Hoerer auf den Boden knallt, lege ich auf.
Speicherplatz ist viel zu gut fuer die!
Kapitel 12
Ich komme zur Arbeit,
aber ich bin nicht ausgeschlafen. Also klemme ich ein Stueck Kupferschiene ueber
die drei Phasen der Hauptversorgung und werfe den Hebel herum. Als die
Hauptsicherungen herauspfeifen, wird es dunkel, und endlich mal wird es still im
Rechnerraum.
Es gefaellt mir.
Ich schnippe den Hoerer von der
Gabel und schliesse die Vorhaenge vor dem Beobachtungsfenster. Jetzt ist es
WIRKLICH dunkel hier drin. Wuerde mich nicht wundern, wenn jemand einen Unfall
haette...
Ich taste mich in der Dunkelheit zum Eingang und entferne ein
paar der Bodenplatten, die die tiefen Kabelschaechte unter dem Rechnerraum
abdecken. Dann rufe ich unsere Service-Firma an und sage, dass der Mini wieder
mal die Hauptsicherung geschossen hat. Dann ersetzte ich die geschossenen
Sicherungen durch ein paar Naegel und schliesse die Versorgungsleitungen gegen
Masse kurz. Auf so was kann man nicht hoffen, man muss es MACHEN!
15
Minuten spaeter erscheint der Techniker und fliegt in den Kabelschacht. Ich
schiebe die Bodenplatten zurueck an ihren Platz, als der System-Manager - ein
neuer, schrecklich gruendlicher Typ - hereinkommt und mir sagt, ich solle mich
vorsehen. In dieser Dunkelheit koenne jemand leicht einen Unfall
haben...
Ich nicke und sage ihm, dass wir uns diese Ausfallzeiten
eigentlich nicht leisten koennen und ob ich nicht einfach die Hauptsicherungen
wieder einschalten soll, in der Hoffnung, dass nicht Ernsthaftes passiert sei.
Nach einiger Meditation ueber die Negativ-Schlagzeilen, die wir mit jeder
verstreichenden Minute anhaeufen, macht er die letzte Entscheidung seiner
steilen, aber kurzen Karriere: Er sagt, ich soll's versuchen.
Spaeter,
nachdem sich der Rauch etwas gelichtet hat, untersuche ich die brutzelnden Reste
unseres Minis. Kein sehr schoener Anblick...
"Komisch, dass die
Hauptsicherungen geklemmt haben, nicht?" sage ich zum System-Manager, waehrend
er seine persoenlichen Sachen einsammelt. "Eine Chance von 1 zu einer Million.
Zu dumm, dass Sie jemand beobachtet und die ganze Geschichte nach comp.misc
geposted hat. Nach all der schlechten Presse koennen Sie froh sein, wenn Sie
einen Job finden, in dem Sie einen Taschenrechner managen duerfen..."
Ich
geh' zurueck in den Kontrollraum und schalte die restlichen Sicherungen wieder
ein. Der Rechnerraum belebt sich wieder. An der Konsole steht:
'D.Usbotmbuhpo!G/Tdif-1-m!2::6' - ein letzter Gruss des verschollenen Technikers
aus der Hoelle!
Ich logge ein und beginne, User-Email zu loeschen. Dabei
entdecke ich einen interessanten sexuellen Antrag unseres Consultants an ein
maennliches Mitglied der Schwimm-Mannschaft. Das gibt ein hervorragendes motd
('motive of the day'); deshalb kopiere ich es dorthin. Dann aendere ich den root
Account nach 'Winker' und das Passwort nach 'ljkadlkajflkj'. Dem grossen
Haeuptling sage ich am Telefon, dass ich einen Einbruch vermute. Bis wir das
genauer untersucht haben (ein paar Stunden wird's schon brauchen), bleiben die
anderen Accounts gesperrt. Die Leute werden in der Zwischenzeit die motd
lesen...
Zumindest einer hat's schon gelesen, denke ich, als wir einen
Schuss aus dem Buero des Consultants hoeren.
Inzwischen editiere ich die
Online-Hilfe und aendere die Nummer der Hotline - der System Manager wird sich
ueber all die extra Anrufe freuen; besonders in so einer traurigen
Zeit....
Ein zweiter Schuss, und mir wird klar, dass er heute wohl keine
Anrufe mehr annehmen wird.
Ich blaettere den Ausredenkalender um und lege
den Hoerer auf die Gabel. "PROBLEME BEI DER STROMVERSORGUNG". zu realistisch.
"STATISCHE AUFLADUNGEN". Immer noch ein wenig zu realistisch fuer meinen
Geschmack, aber ich lasse es gelten. Immerhin soll der Kalender noch bis zum
Jahresende reichen.
Das Telefon klingelt, gerade als ich ich 'Top Gun' in
der Maschine habe. Ich pausiere das Video und klemm' mir den Hoerer unter's
Kinn.
"Ich fuerchte, ich habe eine schlechte Floppy Disk
gekauft."
"Tatsaechlich?" Bin ich jetzt bei der Stiftung Warentest, oder
was?
"Naja, ich hab' da diese Disk und sie laesst sich nich' formatieren.
Aber alle anderen in der Schachtel gingen. Also muss ich wohl eine schlechte
erwischt haben..."
"Darf ich fragen, warum Sie deshalb bei MIR
anrufen?"
"Naja, auf der Schachtel steht was von Garantie; wo kann ich
einen Ersatz bekommen?"
Ah! Alles klar!
"Schaun' wir mal. Sind Sie
ganz sicher, dass es an der Disk liegt, und nicht irgendwie mit statischer
Aufladung zu tun hat?"
"Haeh?"
"Statische Aufladung, Sie wissen
schon, statische Elektrizitaet, die Sie mit ihren Fingern auf das Geraet
uebertragen."
"Aber ich trage ein geerdetes Armband!"
Spaetestens
jetzt weiss ich, wo ich bin: im tiefen Tal der Super-Deppen. Geerdete Armbaender
gehoeren in unseren Kreisen nicht gerade zum
Mode-Accessoire...
"Natuerlich, aber die Standard-Armbaender, wie Sie
eins tragen, haben einen 1 Megaohm Widerstand in Reihe geschaltet; eine ziemlich
schlechte Erdung also. Was Sie brauchen, ist eine direkte Erdverbindung. Am
besten fassen Sie mit einer Hand an ein Gehaeuse, das richtig geerdet
ist."
"Aeh, zum Beispiel unseren Stahl-Labortisch?"
"Hervorragend.
Jetzt, haben Sie etwas, um die Aufladung abzuleiten? Zum Beispiel eine
Bueroklammer?"
"Moment...ja."
"Gut. Dann stecken Sie jetzt mit der
ANDEREN Hand die Bueroklammer durch die Ventilationsschlitze auf der Rueckseite.
Beruehren Sie einfach kurz das Ende des dicken roten Kabels. Dabei aber NICHT
den Tisch loslassen. Sie muessen immer gut geerdet
bleiben..."
>raschel< >hantier<
"Meinen Sie das Kabel,
das zum Netzteil fuehrt?"
"Genau, halten Sie da drauf."
"...Aber
ist das nicht... >kzzzzzt< >polter<"
Und wieder ein Anruf
erfolgreich beendet. Ich nehme den Briefoeffner und schneide eine weitere Kerbe
in das dicke gelbe Ethernetkabel, das dekorativ hinter dem HELPDESK FROM HELL
vorbeifuehrt.
Kapitel 13
Mein neues Login Skript
nimmt allmaehlich Formen an. Tatsache, es ist ast schon idiotensicher. Zum
Beispiel erscheint beim Login folgender Prompt auf dem Bildschirm:
"Yes
means No and No means Yes. Delete all files [Y] ?"
Ich mach' mir naemlich
wirklich Sorgen ueber die vielen Einbrueche ins ystem in letzter Zeit... Dem
Systemmanager macht das nichts aus - seltsamerweise. Er jammert immer nur ueber
die hohe Zahl von computerverursachten Todesfaellen auf dem Campus. Die Welt
wird immer verrueckter!
Ich blaettere den Ausredenkalender um. "DOPPLER
EFFEKT" Klingt so idiotisch, dass es schon wieder realistisch wird - wenn man
etwas nachhilft, natuerlich.
Das Telephon, der Fluch meines Lebens,
laeutet.
"Hallo, Kontrollraum", sage ich hilfsbereit.
"Ist dort
die Technik?" fragen sie.
Erstaunlich, wieviel stocktaube User wir haben,
und warum sie dann noch Telefonieren, statt mir eine email zu schicken. Zum
Teufel, es oedet mich schon wieder an...
"Jawohl", luege ich (Nixon
haette noch von mir lernen koennen).
"Ich hab' ein Problem mit meinen
Floppy Laufwerk. Es scheint manchmal nicht zu lesen."
"Hmm. Wie alt ist
das Laufwerk?"
"Etwa ein Jahr..."
"Und es geht manchmal nicht,
aber manchmal funktioniert's. Und die Ausfaelle werden immer
haeufiger?"
"JA, GENAU!"
"Aha, ein klarer Fall von magnetischem
Dopplereffekt..."
"Ich dachte, das gibt es nur mit Licht- und
Schallwellen?"
>BULLSHIT MODE ON<
"Schon. Aber man hat
kuerzlich entdeckt, dass sich die magnetische Bindung von Partikeln auf schnell
rotierenden Oberflaechen aendern kann, vor allem wenn der Kopf relativ dazu
feststeht und ganz leicht magnetisiert."
"Ah. Oh."
"Also muessen
Sie dringend den Kopf entmagnetisieren. Haben Sie eine Floppy-
Disk-Entmagnetisier-Schleife?"
"Aeh ... nein?"
"Na schoen. Dann
muessen wir es auf die direkte Methode probieren. Haben Sie die
Original-Disketten Ihrer Software greifbar?"
"Ja."
"Ok. Stecken
Sie sie in Ihr Laufwerk und formatieren Sie sie."
"WAS?!"
"Keine
Sorge, es passiert nichts - das Laufwerk funktioniert ja nicht, ok? Was
passiert, ist folgendes: die unverdorbenen magnetischen Felder auf den
Original-Disketten ueberlagern die magnetischen Stoerungen im Schreib-/Lesekopf,
einfach weil diese Disketten mit einem Laufwerk geschrieben wurden, das keinen
Dopplereffekt hat."
"Ah, verstehe."
"Also. Und wenn ein
Schreib-Fehler gemeldet wird und das Programm fragt, ob es weitermachen soll,
tippen Sie ein 'yes'. Machen Sie das mit allen Original-Disketten, die Sie
finden koennen - je mehr, desto besser. Dann lassen Sie eine normale
Reinigungsdiskette durchlaufen. Die entfernt dann die freien magnetischen
Partikel, die noch auf dem Kopf kleben."
"Oh. Ok, vielen
Dank."
"Keine Ursache - ICH MACH' NUR MEINEN JOB."
Ich lege auf,
und sofort laeutet es wieder. Es ist der Boss.
"Simon, koennten Sie mal
in mein Buero kommen?"
>ALARM ROT<
So schnell ich kann,
druecke ich den Panik-Knopf am LAN-Analyser, genauer gesagt, den
'Generiere-90%-Zufallspakete-Knopf'.
"Aber sicher. Soll ich gleich kommen
oder..."
Das andere Telephon laeutet. Ich klemme es mir unters
Kinn.
"Hallo, Computer Kontrollraum. Simon am Apparat. Wie kann ich Ihnen
helfen?"
"DAS NETZ IST WEG. ALLE UNSERE PCs HAENGEN!" kreischt die Stimme
aus dem einen Telefon ins Mikrophon des anderen.
"Aha", sage ich ruhig
und souveraen. "Ja, ich kann's auf unserem Monitor sehen. Schaut aus wie ein
schlechtes Thinwire-Segment - warten Sie, ich versuche, es
'rauszunehmen."
Ich druecke den 'Befoerderungsknopf' (AKA 'Stop Traffic
Generation') am LAN- Analyser, und fast sofort schreit der
User:
"Phantastisch. Es geht alles wieder. Danke."
"Keine Ursache.
Schoenen Tag auch."
Der Boss hat alles mitgehoert. Also, schaetze ich,
wird der Besuch bei ihm nicht allzu schlimm ausfallen. Ich sage ihm, dass ich
sofort 'runter komme, sobald ich das Netz wieder stabil habe, und lege auf. Auf
dem Weg nach unten erfinde ich ein neues Blendwort - das macht das Management
immer gluecklich. 'Vollstaendige Uebertragungstrennung'. Klingt viel besser, als
'Stecker-Ziehen'. Wie 'Master-Reset' besser klingt als 'Ausschalten'.
Ich
komme in sein Buero und der Personal-Chef ist auch da. Ah-oh. "Simon, haetten
Sie Lust unser System-Manager zu werden?"
?!!!
"Aeh...ich weiss
nicht. Eigentlich mach' ich lieber..."
"Zehn Tausender extra im Jahr,
Porsche als Firmenwagen..."
"Roter Carrera
Cabrio?"
"Ok."
"Gebongt!"
Kapitel 14
Fragt mich nicht, wie ich
zurueckgekommen bin, ich bin es einfach. ueberfluessig zu erwaehnen, dass Arbeit
an Management Material missbilligt wird, die Elektroden dazu einsetzt um
Informationen ueber Klienten zu bekommen. Vor allem, wenn man es mit den
Verwandten des Chefs tut. Das ist SEIN Vergnuegen.
Also bin ich zurueck
im Sattel. Ungluecklicherweise heisst das, dass es einen ploetzlichen Ueberfluss
an Operators im Computerraum gibt. Ein Zuschlagen der Backup-Safe Tuer spaeter
ist das Problem geloest. Das Klopfen verstummt bereits nach wenigen Stunden,
also gehe ich davon aus, dass die Safes WIRKLICH luftdicht sind.
Um mich
selbst willkommen zu heissen, schicke ich eine Nachricht raus, die ankuendigt,
dass in 10 Minuten das System runtergefahren wird. 5 Minuten spaeter fahre ich
das System herunter. Ich liebe das. Ich sehe, wie die
Festplattenaktivitaetslaempchen flackern, als die "Diskwiederherstellungs"-Phase
des Hochfahrens durchlaeuft, die global alle Journal Files loescht. Lustig, dass
wir nach dem Starten des Systems immer so viel freien Speicherplatz auf den
Platten haben..
Ich habe gerade Wolfenstein gestartet, als das Telefon
bimmelt. Zur Hoelle, ich habe das fast vermisst, waehrend ich weg war, also gehe
ich ran.
"Computer Raum" sage ich.
"DAS WAREN KEINE ZEHN
MINUTEN!!!" schreit die Stimme am anderen Ende
"Was waren keine 10
Minuten?" frage ich in meiner hoeflichen Art. Ich sehe, daß sich die Dinge
waehrend meiner Abwesenheit verschlechtert haben. Keine großen Umstaende,
sondern rm -r, sag ich mir immer.
"DAS! Sie sagten, es wuerden ze..."
>Pause< "Hier ist der Operator, was haben sie erwartet, wer es sein
wuerde?"
"Darren? Ist dort Darren?"
"Uh, ne. Darren.. Darren
ist... indisponiert... im moment."
"Oh. Wissen sie, wann er zurueck im
Kontrollraum sein wird?"
"Moeglicherweise irgendwann, wenn wir die
naechsten Backups machen - im Jahr 2007 oder so um den Dreh, koennte ich mir
vorstellen."
Er spielt mit dem Gedanken, mich zu fragen, ob ich seine
Files restaurieren kann oder nicht. Ich lass ihn fuer ein paar Augenblicke
zappeln.
"War das alles?" frage ich zuckersuess.
"Nun... NEIN, ist
nicht so wichtig"
"Natuerlich nicht. Moechten sie, dass ich nachschaue,
ob ihre Files in Ordnung sind?"
"Wuerden sie das tun? Ich bin ein
bisschen neu im System und bin mir nicht ganz sicher was ich tun
soll"
"Sicher. Wie war ihr Username?"
Alles in ihm schreit, ihn
nicht zu sagen - Leute neben ihm schreien, ihn nicht zu sagen.
Er sagt
ihn.
Manche lernen es nie.
"OK. Also, fuer mich sieht es so aus,
als wenn alle ihre Files in perfektem Zustand sind."
"SIND SIE??
STARK!!"
Die Erleichterung in seiner Stimme ist
ueberwaeltigend
> klickediklickedi "Yep. Sowohl ihre X-Defaults als
AUCH ihr newsrc File sind in Ordnung"
"Aber... Aber was ist mit meinen
Aufzeichnungen?"
"Sorry?"
"Da waren etwa 10 Files in meinem
Forschungs-Unterverzeichnis, Daten, die ich im vergangenen Jahr gesammelt
habe."
"Oh. Also, ich kann nichts davon entdecken. Vielleicht haben sie
irgendwo ein Backup?"
"Ich habe eine Kopie im Account meiner
Freundin..."
"Wie war ihr Username?"
"Uh..." >Pause< Wird er
es tun? Wird er?
Er tuts.
Wie mit Dampfwalzen ueber Schnecken
fahren...
> klickediklickedi "Nope, da ist auch nichts. Oh! Moment, da
scheint so eine Art Journal File in ihrem Account zu liegen, es ist ganz schoen
gross... Ich glaube, sie sollten dort einloggen und versuchen, es zu
restaurieren..."
Ich haenge so an die 100 man Files zusammen und
schmeisse sie in den Account seiner Freundin unter dem Namen
"rsrch.j"
"Wie mache ich das?"
"Ok; koennen sie schon
einloggen?"
"Ja, ich denke schon... Ok, ich bin drin"
"Ok, sie
muessen das File jetzt durch den Mailer schicken, um das 8. Bit zu loeschen,
ansonsten wird sich das Restaurier-Programm an einem Instruction Error
aufhaengen"
>DUMMY MODE ON "Oh... wie mache ich das?"
"Also,
sie muessen 'mail root' eintippen" "Ok!"
"WARTEN SIE! Sie muessen es mit
der Nase tippen."
"W..? WARUM?"
Ich blaettere durch den
Ausredenkalender bis etwas angemessenes erscheint. "HARDWARE
ABNUTZUNG"
"Also, das hat mit der Hardware Abnutzung zu tun. Womoeglich
tippen sie mit ihren Fingern zu hart, was das Innere der Tastatur
durcheinanderbringt. Das hat mit Kontaktschwierigkeiten und elektromagnetischer
Induktion zu tun"
>DUMMY MODE UNWIEDERRUFBAR AN "Oh. Ok"
"Nun,
sie muessen es 20 mal eintippen"
"Klar, ok"
Er legt
auf.
Ich rufe die Campus Sicherheit an
"Hey, wir haben noch einen
Verrueckten im Labor. Es scheint, als tippe er mit seiner Nase. Kann sein, dass
er bewaffnet ist..."
3 Minuten spaeter hoere ich Schuesse. Ich schliesse
seinen Account, er wird ihn nicht mehr brauchen..
Das Telefon klinkelt.
Es ist meine Ma.
"Hi Ma, was kann ich fuer dich tun?"
"Simon, ich
habe ein Problem auf der Arbeit, die Diskette mit meinem ganzen persoenlichen
Zeug drauf tut es nicht, glaube ich"
"Oh. Ok. Also, hast Du irgendwo
Nagellackentferner und Wattebaeuschchen?"
"Ja"
"ok, nimm die Disk
raus, und entferne das braune Zeug von der Innenseite der Disk. Das ist es, was
den Lesekopf verdreckt. Du solltest nur schoene, saubere Plastikscheiben haben,
wenn du sie vollstaendig gereinigt hast"
"Oh, Ok Simon.
Danke"
"Gern geschehen. Oh; erinnerst du dich noch an damals, als du mich
nicht zu Graeme gehen lassen wolltest um Videos zu gucken, als ich 11
war?"
"Ja, warum?"
"Oh, schon gut.."
Kapitel 15
Es ist ein warmer
Nachmittag im Computer Raum. Weiss nicht, vielleicht sollte ich die Luefer
wieder einschalten, aber zum Teufel, ich habe eine Erkaeltung und muss mich warm
halten. Ich blaettere den Ausreden- kalender um. Magnetische Interferenzen durch
Kreditkarten. Hmmm, vage genug um, plausibel zu sein. Das Telefon
kingelt.
"Hallo, Computer Raum" sage ich. "Hi !" sprichts am anderen Ende
"ich will ein paar RAM in meinen Computer einbauen um den Speicher zu erhoehen.
Ich habe gerade einige 8 meg Chips von einem Typen in der Stadt gekauft und
wollte wissen, ob ihr die einbauen wuerdet." "Also," sage ich "normalerweise
wuerden wir das tun, aber heute sind die Techniker alle damit beschaeftigt
unseren Backup-Tape-Safe aufzu- schweissen um nachzusehen, warum er so stinkt -
Sie koennen die aber vielleicht auch selbst einbauen.."
"Wirklich ? Ich
dachte, das waere gefaehrlich?" sagt sie "Nene, kein Problem, denken sie nur
daran,die Chips vorher aus diesen bescheuerten Plastiktueten zu nehmen, bevor
sie dadurch voellig kaputt sind." "Wirklich? Wie kann denn sowas passieren ?"
"Also,sie haben doch schon mal von statischem RAM gehoert, richtig ?" "Ja..."
"Also, warum packen sie statisches RAM in Antistatik-Tueten? Klingt ziemlich
suspekt, wenn sie mich fragen!!! Ihre koennten bereits kaputt sein, also nehmen
sie sie besser raus.."
>> Dummy Mode ON <<
"Oh"
>raschel knister< "Ok, sie muessen jetzt die Ladung loswerden,die die
Tueten ihren RAMs womoeglich gegeben haben, denn sie wollen ja schliesslich
nicht ihren Computer hochjagen, oder ? Ziehen sie alles Wollene aus, das sie
tragen und nehmen sie Nylon. Laufen sie ein wenig auf einem billigen Teppich,
dann kaemmen sie ihre Haare ein paar Dutzend male und stecken die Chips auf dem
Kamm, um sie so bereit zu halten. Schalten sie ihren Rechner an, dann stecken
sie den Speicher ungefaehr 10 mal rein und wieder raus, um die Slots
aufzuwaermen. Dann stecken sie sie wieder rein und betaetigen den Power-Schalter
ein halbes Dutzend mal, dann sollte es funktionieren!" "Hey, danke!" "Nicht der
Rede wert, alles ein Teil des Services"
Ich gehe zum Mittagessen -
immerhin war ich 10 Minuten am Stueck hier- und gehe an den Studentenlabors
vorbei. Ich hoere Gepiepse, sehe mich um und entdecke einen User-Screen voll mit
Muell. Entweder haben sie einen Image File getippt oder in meinem Account
rumgefingert und den Core File gefunden, den ich in .plan umbenannt hatte. Wenn
er sein Terminal wieder aussortiert hat, wird seine ihm zugewiesene Connect Zeit
komplett aufgebraucht sein. Eine Schande...
Ein paar Stunden spaeter
komme ich frueh vom Mittagessen zurueck und gehe ins Usenet News Directory,
runter zu alt.binaries.picture.erotica und beginne damit, die Teile 3 und 4 der
wirklich langen GIFs zu loeschen (nachdem ich mir selbst Kopien gemacht und sie
ueber die letzten User Backups geschrieben habe, versteht sich).
Dann
bereite ich mich darauf vor, die Videos zu gucken,die ich mir aus der Videothek
besorgt habe, indem ich die Drucker offline schalte und das Telefon herausziehe.
Dann bemerke ich,dass der Frame Grabber Video Player aus meinem Buero
verschwunden ist. Irgendjemand hat ihn offen- sichtlich entwendet waehrend ich
weg war...
Ich stelle einige diskrete Nachforschungen unter Androhung von
rm -r an und finde heraus, dass die Sekretaerin ihn nun in Besitz hat. Also
schlendere ich herunter, um ihn wieder mitzunehmen. Nur kann ich das nicht, weil
ich in DEM BUCH eintragen soll, wann er zurueck sein wird, wieviel Minuten Band
ich hindurch jagen will, ob ich PAL oder NTSC schauen will usw. Dann wird alles
in ihren *persoenlichen* Computer eingegeben (zu dem ich keinen Zugriff habe,
weil er nicht der Firma gehoert), damit sie Vollfarb-Statsitiken erstellen kann,
wer in der Abteilung nicht arbeitet...
Ich bemerke, dass er nicht
zurueckkommen wird - als derjenige, der den Hammer durch den Frame Grabber
gekloppt hat, sollte ich auch den Video Player haben. Sie sagt mir, das waere
nicht akzeptabel, und dass ich mir einen anderen Player suchen muesse, sie
braeuche 24 Stunden am Tag Zugang zum Player, fuer den Fall, dass ihn jemand
braucht.Und weil sie ihren PC nachts mit nach Hause nimmt, braeuche ich gar
nicht denken, dass ich die Ausleih-Aufzeichnungen faelschen koenne. Ich sehe das
alles,wie es ist - ein schwach getarnter Versuch der Bastard Secretary from Hell
Zugang zum Sessel der Macht (den Operator Raum) zu bekommen. Ich beschliesse sie
erstmal gewaehren zu lassen, immerhin bekommt sie die Post in etwa 20% der
Faelle in die richtgen Zustellungsfaecher, also kann das nicht allzu schlecht
sein.
Am naechsten Morgen komme ich so gegen 14 Uhr herein und sehe, dass
ich drei Abteilungsmemos ueber den Status anderer Geraete im Computer Raum
bekommen habe, die "inkorrekt als reparaturbeduerftig inventori- siert" worden
seien (der Scheiss-Techniker hat kallsifizierte Informa- tionen durchsickern
lassen, um sich mit der Sekretaerin gut zu stellen - eine Schande, eigentlich
mochte ich ihn), mit einer Notiz vom Big Boss, der die Sekretaerin authorisert,
Untersuchungen durchzufuehren. An all das ist eine Notiz von der Sekretaerin
selbst geheftet, die besagt,um dies zu tun benoetge sie einen 24 Stunden
Zugangs-Schluessel zum Computer Raum.
EINMAL MEHR realisiere ich, dass es
sich nicht auszahlt, die Zuegel schleifen zu lassen.Ich schlage die Port Nummern
von RS232- Ethernet-, Appletalk- und Telefonverbindungen der Sekretaerin nach
und ziehe sie aus der Comm-Verbindung. Was solls, wo ich gerade dabei bin haue
ich die Sicherungen fuer Steckdosen und Licht in ihrem Buero auch noch raus.
Dann nehme ich mir ein Main-Power Kabel und schliesse es an die RS232 an
...
Das Telefon klingelt ein paar Minuten spaeter. "Was ist mit meinem
Raum passiert?!" kreischt mich die Sekretaerin an. "Mit ihrem Raum ?" sage ich
nett und unschuldig und benutze die Caller ID um herauszube- kommen in welchem
Raum sie sich gerade befindet. Ah! Nur den Korridor herunter.
"Ja, mit
MEINEM RAUM! Der Strom ist ausgegangen und alles ist tot" "Du meine Guete. Was
haben sie getan, als der Strom ausging. Vielleicht haben sie irgend etwas dummes
getan ?" "Nein, habe ich NICHT! Ich ar- beitete gerade an MEINEM PC !" Die Art,
wie sie 'meinem' sagt, regt mich wirklich auf."Sie haben an IHREM PC
gearbeitet?" reflektiere ich. "Ja.." Sie weiss noch nicht, worauf ich hinaus
will. Und nun wende ich das Grundgesetz fuers Bastard Operating an, das grob
aussagt, dass Bastard Operator nicht nur gewinnen. Jeder kann gewinnen. Bastard
Operator gewinnen und DEMORALISIEREN total.Das ist RICHTIGES
Gewinnen.
"Ich hoffe, sie haben ihren Rechner abgeschaltet, bevor sie
angerufen haben" "Warum?" bellt sie, etwas unsicher. "Nun, es ist nur so, dass
Privateigentum nicht von der Arbeitsplatzversicherung abgedeckt wird. Also, wenn
es eine ueberlastung gegeben hat, weiss Gott, was mit einem teurem Stueck
delikater *persoenlicher* Technik passieren koennte, wie ihrem..." Ich hoere,
wie sie den Hoerer *sehr* leise bei Seite legt und sprinte auf Zehenspitzen zur
Tuer. Als ich ihre Sicherungen immer wieder ein und ausschalte, beginne ich
darueber nachzudenken, was ich heut Nachmittag auf Video gucken werde... Immer
noch am Telefon hoere ich einen Knall im Hintergrund der womoeglich bedeutet,
dass IHR PC sich verabschiedet hat...
10 Minuten spaeter das Telefon im
Control Raum. Es ist die Sekretaerin und sie klingt ein wenig gestresst. Ich
schaffe es, ihre sporadischen Wutausbrueche in eine Bitte zu uebersetzen, dass
ihre Leitungen an ihr Terminal angeschlossen werden moechten. Ich erzaehle ihr,
sie seien, und sie habe den Techniker der nachsehen koenne. Sie legt
auf.
Keinen Sinn fuer Humor. 10 Minuten spaeter ruft der Techniker an und
sagt mir, alle Leitungen der Sekretaerin seien tot. Ich sage ihm, dass ich
nachsehen werde und schliesse Ethernet, Telefon und Appletalk wieder an. Bleibt
RS232...
Weitere 10 Minuten spaeter werde vom Telefon bei meinem
Nickerchen gestoert. Es ist der Techniker,der sich immer noch bei der
Sekretaerin einschleimt, indem er supereffizient ist. Er sagt mir, der RS232
funktioniere immer noch nicht. Ich erzaehle ihm etwas von kalten Loet- stellen
im Stecker und bitte ihn, einen neuen Stecker auf das Kabel zu machen. Ich hoere
das >schnipp< kurz vor dem ">EEEEERRRRRRRRKKKK<" Ein weiteres
Problem geloest vom Bastard Operator from Hell.
Es ist ein dreckiger,
schmieriger, stinkender Jeder-gegen-jeden Job, aber irgend jemand muss ihn
geniessen
Kapitel 21
Der Aufzug in unserem Gebäude ist ein hervorragendes Beispiel für die
typisch amerikanische Megalomanie. Alles, wirklich ALLES hier ist
krankhaft übertrieben größer gegenüber dem Rest der Welt: die Bäume, die
Chips-Tüten, die Autos, die Freeways, Hamburger und Drinks, Blumen,
Dauerlutscher, Hüte, Sonnenbrillen, Flughäfen, Klopapierpackungen,
Frühstücksportionen, Kinos und natürlich auch die Menschen (besonders
gewisse paarweise angeordnete, weibliche, sekundäre
Geschlechtsmerkmale!).
Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, daß der Aufzug eher einem
Ballsaal gleicht als einem beweglichen Käfig zur Personenbeförderung.
Ich poke ein bißchen in der Steuerungs-Software herum, bis das Ding
zwischen jedem Stockwerk eine Pause von 30 Sekunden einlegt (was
unsere Klaustrophobiker auf 180 bringt); dann besorge ich mir beim
Chinesen nebenan einen thailändischen Nudelsalat und warte bis die Leute
vom Lunch zurückkommen.
Thailändischer Nudelsalat schmeckt ausgezeichnet, aber die Optik ist nicht
gerade das, was man als 'appetitanregend' bezeichnen würde.Er schaut
eher aus wie... naja wie... sagen wir mal, wie ein etwas fehlgeleitetes
Verdauungsprodukt.
Ich fülle den Salat in eine durchsichtige Plastiktüte und stecke die Tüte in
meine Jackentasche. Dann pferche ich mich zusammen mit 67 anderen
lunch-gesättigten Angestellten in den Aufzug, und die Ballsaal-
Aufzugskabine beginnt ihre langsame und schaukelnde Fahrt nach oben.
Ein paar techno-versierte Mitarbeiter drücken ungeduldig auf ein paar
Knöpfe, als der Fahrstuhl das erste Mal steckenbleibt, aber sie geben's
bald wieder auf.
Nach dem ersten Stockwerk lockere ich unauffällig meinen Hemdkragen
und wische nicht vorhandenen Schweiß von meiner bleichen Hacker-
Stirne.
Nach dem zweiten Stockwerk gebe ich unterdrückte Würgelaute von mir,
schlucke angestrengt und blicke mich verzweifelt um. Den mir zunächst
stehenden Fahrgästen schwant Übles und sie versuchen aus der drohenden
Schußlinie zu kommen; aber der Aufzug ist immer noch zu dicht gepackt.
Nach dem dritten Stockwerk dränge ich mich rigoros in die nächste Ecke,
reiße die Tüte mit thailändischem Nudelsalat aus der Jackentasche und
beuge mich würgend und krampfgeschüttelt darüber. Als ich wieder
aufblicke, sehe ich erschöpft die vielen mitleidigen und mitfühlenden
Gesichter meiner Mitreisenden.
Nach dem vierten Stock verwandelt sich das allgemeine Mitgefühl in
blankes Entsetzen, als ich eine Plastikgabel aus der Tasche ziehe und
beginne, mit Genuß den thailändischen Nudelsalat aus der Tüte zu essen.
Ab dem fünften Stock muß ICH schauen, daß ich aus den vielen
Schußlinien komme...
Schätze, der Aufzug ist mal wieder reif für eine gründliche
Generalüberholung; ein neuer Teppichbelag könnte auch nicht schaden...
Nach dieser netten kleinen Einlage gehe ich beschwingt in Gingers Büro
und versuche zum fünfhundertfünfundfünzigsten Mal, sie zu einem
Abendessen zu überreden. Ginger streift mich mit ihrem typischen
unterkühlten Blick und gibt ihre Standardantwort, sie sei 'single', aber
nicht 'desperate'. Dann fragt sie, was ich da Scheußliches in der Plastiktüte
habe.
Ich erkläre lässig, daß ich soeben ein wichtiges und hochinteressantes
sozio-dynamisches Psycho-Assoziations-Experiment unter vertikal-
kinetischen Bedingungen durchgeführt habe und daß diese Plastiktüte das
entscheidende gastro-eruptive Provokations-Corpus darstelle.
Ginger guckt mich mit ihren kühlen blauen Augen an und verzieht kaum
merklich den linken Mundwinkel nach unten. Irgendwie kommt mir diese
Geste verdammt bekannt vor, aber woher? Dann meint sie, daß auch sie
sich wahnsinnig für gastro-eruptive Provokations-Experimente
interessieren würde, und ob wir nicht zusammen heute abend im Cable Car
nach North Beach fahren wollten...
Kapitel 22
Ich sitze in meinem Büro und lecke meine Wunden.
Nein, wirklich! Nicht nur im übertragenen Sinne! Kaum zu glauben, wie
schwer es ist, mit der Zunge an die Fußsohlen zu kommen...
Spaß beiseite! Ich habe mich von unseren Super-Sportler Ron überreden
lassen, ihn übers Wochenende auf eine 'Backpack-Tour' zu begleiten.
Nachdem wir uns 6-einhalb Stunden lang mit Rons uralten Pickup durch
diverse Staus und sonnendurchglühte Wüstenlandschaften gewühlt haben,
stellt sich heraus daß 'Packpack' nicht etwa 'Packesel-Trupp' bedeutet (wie
ich angenommen hatte), sondern daß man den unglaublich schweren
Rucksack selber durch die Gegend tragen muß - und zudem auch noch
bergauf!!!
Unter diesen Umständen beschließe ich, das Funk-Modem und die Ersatz-
Akkus lieber im Auto zu lassen. Mit säuerlicher Miene packe ich also nur
meinen Laptop und die 15 gefrorenen Pizzen (die sich schon recht
schwammig anfühlen) in meinen Rucksack, und folge Ron auf dem kaum
erkennbaren schmalen Weg in einen engen Canyon hinein, den ich in
einem anständigen Video-Game niemals betreten würde: er schaut aus.wie
geschaffen für einen Hinterhalt!
Wie um meine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen trete ich nach
kaum 200 Metern auf einen weichen Ast, der sich plötzlich kringelt und ein
Schnarren von sich gibt, das wie von einem zu langsam eingestellten
Akustik-Modem klingt. Ron reißt mich so heftig am Arm zurück, daß ich
beinahe in die Schlucht stürze, und als ich mich beschwere, fährt er mich
auch noch unfreundlich an, ob ich denn noch nie eine 'rattle snake'
gesehen hätte und ob ich immer wie ein Blinder durch die Gegend laufen
würde. Also stecke ich gehorsam meine supercoole Sonnenbrille (97%
Filter) in die Tasche und kneife die Augen zusammen. Normalerweise sind
meine Augen nur auf die Leuchtkraft meines Farbdisplays adaptiert.
Am abend, als wir endlich an unserem 'camp' ankommen - für mich schaut
der staubige Platz genauso aus wie alle anderen staubigen Plätze, die wir in
den letzten 5 Stunden passiert haben - habe ich zwei Bienen- und unzählige
Moskitostiche, einen Sonnenbrand auf der Nase, Blasen an allen zwei
Füßen und meine Schultern spüre ich schon lange nicht mehr. Meine
Stimmung sinkt auf den Nullpunkt, als ich entdecke, daß ich die Zugangs-
Code-Tabelle für City2000 im Auto habe liegenlassen. Außerdem sind die
15 gefrorenen Pizzen in halbflüssigen Zustand übergegangen und Ron
weiß nicht, wo der nächste Mikrowellenherd zu finden ist. (Oder er will es
mir nicht sagen; auf meine Frage hin schnaubt er nur verächtlich!)
Die Dämmerung bricht herein (jetzt weiß ich endlich, woher dieser
Ausdruck kommt!), als ob jemand den Lichtschalter gedrückt hätte. Ron
kocht im Schein meines Laptop-Displays Vollkorn-Nudeln und gibt
zähneknirschend zu, daß das 'Ding' doch zu etwas gut sein kann.
Kaum sind wir in unseren Schlafsäcken und versuchen vergeblich eine
halbwegs annehmbare Liegestellung auf den harten Isomatten zu finden,
als aus der Richtung unseres Eßplatzes verdächtige Geräusche erklingen.
Schnaufen, Rascheln, Wetzen und - Brummen! Meister Petz will sich an
unseren aufgehängten Delikatessen gütlich tun. Wenn er wüßte, daß es sich
dabei nur um trockene Vollkorn-Nudeln und aufgetaute Pizzen handelt,
würde er es vielleicht bleiben lassen. Ich will Ron gerade vorschlagen, dem
Bär die Vollkorn-Nudeln zu überlassen und morgen zu einen MacDonalds
zu fahren, aber Ron hört mir gar nicht zu. Er nestelt sich fieberhaft aus
seinem Schlafsack und rennt zu unserer Feuerstelle. Gleich darauf höre ich
ihn wie wild mit der Taschenlampe auf unserem Kochtopf herumtrommeln.
Da ich von Geburt gesellig bin, schäle ich mich auch aus dem Schlafsack
und renne ebenfalls in Richtung Feuerplatz. Im Dunkeln pralle ich in ein
sehr großes, pelziges Etwas. Der Bär! denke ich entsetzt, und bereite mich
darauf vor, meine Haut möglichst teuer zu verkaufen. Aber das pelzige
Wesen ruft "Ouch!", und es ist nur Ron in seiner Winterjacke, dem ich
gerade zielsicher einen Faustschlag aufs rechte Auge versetzt habe.
Während wir noch streiten, wer an dem kleinen Unfall Schuld ist, hören
wir wie der Bär wieder zurückkommt. Ron geht wieder hin und vertreibt
ihn mit dem Kochtopf, während ich auf das Zelt aufpassen darf.
Die nächsten zwei Stunden taucht der Bär alle 8-einhalb Minuten wieder
auf, und Ron rennt jedes Mal hin und vertreibt ihn mit dem Kochtopf. An
Schlaf ist gar nicht zu denken! Wehmütig denke ich an all die selig
durchschlummerten Vormittage im Büro...
As Ron zu sechzehnten Mal zur Bärenhatz aufbricht, gehe ich mit und
nehme meinen Laptop mit. Der Bär - ein schwarzer Kerl mit heller
Schnauze, gar nicht so groß wie ich ihn mir vorgestellt hatte - schnüffelt an
der Stelle herum, wo Ron das Seil festgeknotet hat, mit dem wir unsere
Nudeln und aufgetauten Pizzen auf den Baum gezogen haben. Ron
vertreibt ihn mit dem Kochtopf, aber der Bär läuft nur ein paar Meter und
bleibt wieder stehen. Er weiß genau, daß wir irgendwann aufgeben
werden.
Ich stelle den Laptop genau unter den Knoten und starte 'MadMax' im
'demo play modus' mit voller Lautstärke. Dann stellen wir uns hinter die
Büsche und beobachten den Bären.
Der Bär kommt näher heran, schnüffelt und guckt interessiert auf das
farbige Display. In dem Moment wird in 'MadMax' ein ekliges rotes
Monster mit einer Panzerfaust in kleine Schleimspritzer zerfetzt. Der Bär
wimmert entsetzt und flieht ins Gebüsch.
Ron und ich schlafen friedlich, bis die Sonne wieder eingeschaltet wird.
Am nächsten Morgen sind die Batterien von meinem Laptop natürlich leer,
und ich sehe keinen vernünftigen Grund, noch weiter in so einer
unzivilisierten Gegend ohne Strom- und Telefonanschluß zu verbleiben.
Großzügig überlasse ich Ron die restlichen aufgetauten 14 Pizzen und
mache mich auf den Rückweg. Eine ältere Lady nimmt mich in ihrem
verrosteten Kombi mit und ich gebe ihr zum Ausgleich ein paar Tips wo sie
sich für ihren veralteten OS/2 einen kostenlosen Netzzugang erschleichen
kann. Beim nächsten MacDonalds steige ich aus und bringe sofort eine der
Computerkassen zum Absturz - nur um sie sofort wieder zu 'reparieren'.
Zum Dank stopfen sie mich mit ihrem herrlichem junk food voll. Während
ich mich mit fetttriefenden Pommes und Cola vollstopfe, lerne ich einen
Typen kennen, der auf seinem T-Shirt eine große schwarze '14000' hat. Er
erklärt mir, daß er seit 12 Jahren nur BicMacs gegessen und über 14000
BicMac-Schachteln gesammelt habe.
Der Typ schaut wesentlich gesünder aus als Ron.
Kapitel 23
Ich bastele gerade an einer Windoofs-Erweiterung, die die zuletzt getippten
Zeichen nach einem Zufallsschema wiederholt, als mein alter Netzfreund Mobo aus
Bill-Gates-Country anruft und fragt, ob ich ihn nicht für ein paar Stunden an
der Hotline vertreten könne. Da ich im Moment zufällig nix zu tun habe (da war
schon wieder ein Witz, Leute!) und die Kantine dort drüben einen guten Ruf hat,
schwinge ich mich in meinen mintgrünen Mustang und kurve hinüber zum
Microsoft-Gebäude in Albany.
Mobo erklärt mir in 13 Sekunden, wie die Telefon-Dispatcher funktionieren, und
haut mit seiner neuesten Flamme zum 'Kaffeetrinken' ab. Ich habe kaum die
aktuelle Ausgabe von WIRED aufgeschlagen, da summt auch schon das erste Gespräch
herein.
Ein Dreiviertel-Geek ist dran und beschwert sich, daß sein Rechner so lahm sei.
"Bitte sagen Sie mir zuallererst, welche Windoofs-Version Sie benutzen", leiere
ich herunter - genauso wie es auf dem Hotline-Formular vorgeschrieben ist. Mobo
wäre stolz auf mich. Dann allerdings mache ich nach meiner eigenen Methode
weiter.
"Hängt die Boot-Platte an einem SCSI-Bus?" frage ich möglichst professionell.
"J...ja, klar", sagt er etwas unsicher.
"Hmm, schaut mir ganz so aus, als ob da der Flaschenhals liege", sage ich
sorgenvoll. "Wissen Sie, bei den modernen Buskabeln sind die Adern so eng
zusammen, daß im SCSI-Bus im Prinzip nur noch Stehplätze frei sind..."
"Hääh? Stehplätze...?"
"War nur ein kleiner Scherz", sage ich.
"Ach so!" sagt er. "Haha! Stehplätze ist gut..."
"Tatsache ist aber, daß durch die zu eng geführten Adern in den neuen Buskabeln
die elektromagnetische Abstoßung der Elektronen so groß werden kann, daß die
Datenübertragung behindert wird."
"Oh!" sagt er. "Was kann man da machen...?"
"Ganz einfach: Sie müssen die zu eng liegenden Adern wieder auseinanderspreizen.
Passen Sie auf: Sie bauen jetzt sämtliche SCSI-Kabel in Ihrem Rechner aus... Sie
wissen doch, wie man das macht, oder?"
Beleidigt versichert er mir, daß er ständig etwas in seinem Rechner aus- oder
einbaue. Kein Wunder also...
"Gut", sage ich, "Sie bauen also das ganze Bus-Kabel aus und schneiden mit einem
sehr scharfen Messer - am besten mit einer Rasierklinge - die einzelnen Adern
des Kabels auseinander. Ganz einfach. Dann bauen Sie das Kabel wieder ein, und
voila - es gibt keinen Flaschenhals mehr."
Er sagt mir begeistert, daß er eine Rasierklinge da habe und sofort mit der
Operation beginnen werde.
Die nächste Anruferin versucht Daten nach Brasilien zu übertragen.
"Ich versuche es jetzt schon zum dritten Mal", mault sie, "aber die Verbindung
tröpfelt nur so dahin..."
"Hmm, ja...", sage ich und klappere munter mit der Tastatur, damit es so klingt,
als ob ich tatsächlich die Verbindung prüfen würde. "Das muß an der
Coriolis-Kraft liegen."
Heute habe ich anscheinend meinen physikalischen Tag...
"Huh???"
"Coriolis-Kraft. Noch nie gehört? Die Kraft, die einem vom Kurs abbringt, wenn
man sich von Nord nach Süd bewegt. Schätze, Ihre Datenpakete werden einfach zu
sehr an den Rand des Leiters gedrängt und dort gibt es wegen des Skin-Effekts
bei hohen Datenraten einen höheren komplexen Widerstand..."
Ich bin heute wirklich ungewöhnlich gut drauf; anscheinend meint das auch die
Anruferin:
"Oh. Ah... So... Und was kann man da tun...?
"Vermeiden Sie einfach die langen Nord-Süd-Strecken. Schicken sie Ihre Daten
erst nach British-Kongo und dann von dort nach Brasilien."
Das leuchtet ihr sofort ein:
"Natürlich! Daß ich da nicht selber draufgekommen bin..."
Abgesehen davon, daß British-Kongo meines Wissens nicht existiert und wenn es
denn existierte, bestimmt keinen Internet-Zugang hätte, soll sie damit glücklich
werden.
Nach drei weiteren Jerks, die wieder mal die 'Any-Taste' auf ihrem Keyboard
vermissen (ich empfehle allen dreien, sich im Second-Hand-Laden nach einer
Windows-92-Tastatur umzuschauen!), meldet sich der typische
Heimwerker-Hardware-Spezialist. Er hat auf eigene Faust eine neue Festplatte
gekauft und eingebaut. Natürlich funktioniert sie nicht:
"Beim Einschalten läuft die Platte nur kurz an und bleibt dann wieder stehen..."
"Sososo...", sage ich, "hm... wie klingt denn das Anlaufen: eher wie ein
langsames 'Pfoooooaaaaauuuuueeeeeeiiiiiiiiiiii' oder eher wie 'Ssssseeeeiiiiii -
prattprattprattt - diiiiiiiiihhhhhh'..."
"Äh... ich weiß nicht so recht..."
"Oder klingt es vielleicht gleich von Anfang an wie 'Scrtchscrtchscrtch -
pöttpöttpött - böhh'?"
"Also, ich denke mal, am ehesten noch wie das erste", sagt er völlig verwirrt.
"Pfoooooaaaaauuuuueeeeeeiiiiiiiiiiii? Hm, was steht denn auf dem Label der
Platte?"
"Äh... Moment... PT342/AU89-..."
"Sagten Sie 'AU'?" unterbreche ich ihn.
"Ja..."
"Alles klar: das kann ja nicht funktionieren; die Platte dreht verkehrt herum."
"Häh?"
"Die Platte ist für den Export nach Australien bestimmt. Auf der südlichen
Hemisphäre ist alles genau spiegelverkehrt, das wissen Sie doch, oder? Die Autos
fahren links, die Sonne und der Mond stehen im Norden, das abfließenden Wasser
dreht sich anders herum - deshalb drehen natürlich auch die Festplatten da unten
mit dem Uhrzeigersinn, statt gegen den Uhrzeigersinn wie hier."
"Aber..."
"Was meinen Sie, was da für enorme Scherkräfte entstehen, wenn man so ein Ding
auf der nördlichen Halbkugel betreibt. Natürlich sind dann alle Magnetköpfe
dejustiert..."
"Oh."
Mit anderen Worten: ANTI-ENGINEERING-MODE ON
"Wenn Sie die Platte nicht zurückbringen wollen, bleibt uns nur eine logische
Lösung... na?"
10 Sekunden Denkpause.
"Den Computer auf den Kopf stellen?" mutmaßt er vorsichtig.
"BINGO! Wenn es dann immer noch nicht funktioniert, rufen Sie gleich bei dem
Laden an, der Ihnen das Ding angedreht hat, und machen denen die Hölle heiß!"
Sonst ruft er am Ende in 20 Minuten noch mal hier bei mir an!
"Sagen Sie denen am besten, daß nicht alle ihre Kunden totale Analphabeten sind
und daß Sie sehr wohl ein 'US' von einem 'AU' unterscheiden können. Man kann
sich ja schließlich nicht alles bieten lassen!"
Er verspricht in kämpferischen Ton, daß er das auf jeden Fall machen werde.
Na, schön. Schade, daß ich das Gesicht des Verkäufer nicht sehen kann.
Dann wird mir langweilig, und Mobo ist immer noch nicht vom ÔKaffeetrinken'
zurück. Ich gehe in den Rechner der das Dispatchen steuert - Mobo hat
bequemerweise das Superuser-Passwort an seinem Display hängen - und ändere das
Programm so, daß es in unregelmäßigen Abständen zwei Dispatcher miteinander
verbindet. Per Konferenzschaltung klemme ich mich auch noch in die Leitung um
mitzuhören:
Dispatcher 18: "Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave. Wie kann ich Ihnen
helfen?"
Dispatcher 7: "Microsoft PC Hot... Äh, was?"
"Ich sagte: Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave. Wie..."
"Aber... aber hier ist doch die Microsoft PC Hotline..."
"Ja, natürlich. Ich sagte ja bereits: Microsoft PC Hotline. Mein Name ist..."
"Neinneinneinnein... ich meine... ich wollte sagen, HIER bei mir ist die
Microsoft PC Hotline! Äh.... und meine Name ist John!"
Schweigen in der Leitung. In den beiden Gehirnen der Consultants passiert jetzt
folgendes: Es ist eine Situation entstanden, für die es nur sehr
unwahrscheinliche Erklärungsmodelle gibt - z.B. daß irgendein Idiot sich in das
Dispatch-System gehackt und die beiden Leitungen verbunden hat. Da menschliche
Gehirne nach statistischen Bewertungen vorgehen, wird diese Lösung zusammen mit
vielen anderen (z.B. daß der Mond aus grünen Käse ist) verworfen. Nachdem beide
Gehirne Dave und John zur gleichen Schlußfolgerung gelangt sind, nämlich daß
eine Situation vorliegt, die es eigentlich nicht geben dürfte (zumindest nicht
im Bill-Gates-Country!), machen sie das einzig Vernünftige: partieller
System-Reset in beiden Großhirnhälften:
Dispatcher 7: "Microsoft PC Hotline. Mein Name ist John. Wie kann... äh..."
Dispatcher 18: "Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave. Wie kann... äh..."
"..."
"John? John, bist du das?"
"Natürlich bin ich das. Warum zum Teufel rufst du die Hotline an, Dave!"
"Aber ich habe die Hotline nicht angerufen. Du hast doch bei mir... ich glaube
wir haben ein Problem..."
"Ja? Bitte sagen Sie mir zuallererst, welche Windows-Vers..."
"John! Laß doch den Quatsch!!!"
"Oh... Ok."
"Im System muß ein Bug sein. Es hat aus Versehen zwei Dispatcher-Plätze
vermittelt..."
"Oh Gott! Weißt du was das bedeutet? Wir müssen ein internes trouble ticket
erstellen. Vier Kopien an den Leiter vom Dienst, den Abteilungsleiter, den
Schulungsleiter und an die Entwickler..."
"John?"
"Ja?"
"Am besten vergessen wir das Ganze..."
"Mein' ich auch", seufzt John erleichtert auf.
Die Verbindung wird unterbrochen, und natürlich baue ich sie sofort wieder auf.
"Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave/John..."
"John! Mach' daß du aus meiner Leitung kommst!"
"Was soll das heißen. DU Hast doch schon wieder angerufen..."
An diesem Punkt verlasse ich die Konferenzschaltung und schicke eine anonyme
email an den Leiter vom Dienst mit dem Inhalt, daß zwei Dispatcher es geschafft
haben das System zu hacken und auf diese Weise stundenlange Privatgespräche
führen.
Dann leite ich meinen Dispatch-Platz auf die Apple-Hotline um und gehe nach
Hause.
Kapitel 24
WARNUNG
In der folgenden Geschichte kommen Begriffe und Namen vor, die nicht für jede
Leserschaft geeignet sind. Insbesondere empfehlen wir allen Gourmets und
Freunden guter Eßkultur, die GROSS gedruckten Teile zu überspringen oder
wenigstens rasch zu überlesen. Dem Konsum dieser Seiten vor dem Abendessen ist
abzuraten!
Ich nehme einen tiefen Schluck aus der eisgekühlten Büchse und lehne mich wohlig
zurück. Seit drei Tagen streikt die B.A.R.T. ('Bay Area Rapid Transit'), und die
Chefin hat aus diesem Grunde allen Mitarbeitern erlaubt, vorläufig von zu Hause
aus zu arbeiten. 'Telecomuting' nennt man das hier. Ich würde es bezahlten
Urlaub nennen.
Es war kein besonderes Kunststück, ein kleines Programm zu schreiben, das sich
in unregelmäßigen Abständen am Institut einloggt und das System etwas
durcheinanderbringt. Oberflächlich gesehen schaut das so aus, als ob ich eifrig
an der Arbeit wäre. In Wirklichkeit sitze ich hier am Strand und betrachte mit
halb geschlossenen Augen die neueste kalifornische Strandmode. Ein Liegestuhl,
eine schicke Sonnenbrille und ein riesiger Cooler voller Sodas: was braucht ein
gestreßter Systemadministrator mehr, frage ich.
Ich nehme noch einen tiefen Schluck.
"Das ist aber extrem ungesund, was du da machst, weißt du!"
Ich blinzele angestrengt nach schräg rechts hinten. Da sitzen zwei Mädels und
beobachten mich kritischen Blickes. Die eine hat dünne lange blonde Haare, die
nach Hennafärbung aussehen, eine spitze Nase mit Sommersprossen und ein indisch
angehauchtes Outfit. Die andere ist dunkelhaarig und käsebleich - wie schafft
man es in Kalifornien so bleich zu bleiben? - und trägt einen
Leopardenfell-Bikini. Beide sind erstaunlich dürr und irgendwo in den
Dreißigern. Schätze ich zumindest; genau kann das heute niemand mehr sagen.
"Wie bitte?" frage ich höflich.
"Das ist EXTREM ungesund", wiederholt die schwarzhaarige im Leopardenfell und
deutet auf die Büchse Cola Light, "so'n kaltes Zeug in sich hineinzuschütten..."
"... weißt du", fügt die andere hinzu.
Ich schaue verdutzt auf die leere Büchse und suche nach einer coolen Antwort:
"Oooops!" sage ich. "Wo kommt die denn her?"
Aber das Ablenkungsmanöver wird ignoriert.
"Es ist ganz, ganz schädlich, kalte Flüssigkeiten zu trinken", doziert die
indische Blonde. "Weißt du, in deinem Bauch ist ein großes VERDAUUNGSFEUER und
das wird durch das kalte Wasser GESCHWÄCHT..."
"Aha", sage ich, "und was tut ihr gegen den Durst? Feuerschlucken?"
Diese ignorante Bemerkung handelt mir nur zwei Blicke, Marke
'Was-gibt-es-doch-für-dumme-Menschen', ein.
"Man trinkt natürlich heißes Wasser", erklärt die Blonde würdevoll.
"Bei vierzig Grad im Schatten?" frage ich, von der Radikalität dieser
Vorstellung unwillkürlich fasziniert.
"Immer!" bekräftigt die Leopardin, und wie um ihre Behauptung zu untermauern,
holt sie eine große Thermosflasche aus ihrer Strandtasche und gießt sich und
ihrer Gefährtin zwei Becher dampfender Flüssigkeit ein. Die beiden schütten auf
ex.
"Weifft du, wenn daf groffe VERDAUUNGFFEUER gefwächt wird, bleiben
Verdauungsrückftände im gantfen Körper", erklärt die Blonde weiter. Anscheinend
hat sie sich die Zunge verbrannt. "Auferdem fmeckt ef beffer, wenn ef tfehn
Minuten gekocht hat."
"Dann werden die ganzen schädlichen Rückstände nach draußen geschwemmt",
bestätigt die Leopardin. "Aber noch besser ist natürlich LEVITATIONSWASSER..."
"Natürlich", sage ich und hole mir noch eine eiskalte Cola aus meinem Cooler.
Die beiden Mädels betrachten mich ungefähr so, wie normale Menschen einen
Japaner beim Harakiri beobachten würden.
"LEVITATIONSWASSER ist von allen Erdstrahlen gereinigt", fängt die Dunkle nach
zwei Minuten wieder an. "Aber natürlich ist es viel zu teuer - 12 Dollars die
Gallone..."
"Klar", sage ich.
Die Blonde holt zwei unappetitlich verklebte Plastik-Container aus ihrer Tasche.
Darin gluckert es schmierig-weißlich. Dazu wickelt sie grünbraune Fladen, die
mich stark an die Verdauungsendprodukte bestimmter domestizierter Wiederkäuer
erinnern, aus fleckig-braunem Packpapier.
"Und was ist das?" frage ich interessiert.
"INDISCHER LASSI und KARTOFFELSALAT MIT YOGHURTSOSSE UND FRISCHEM KORIANDER. Mit
REINEN BIOKARTOFFELN", erklärt die Leopardin stolz. "Dazu GRÜNKORNPLÄTZCHEN mit
BÜFFELGRASEXTRAKT. Und echte BIOÄPFEL!"
Die verschrumpelten, braunen BIOÄPFEL schauen eher aus wie gewisse andere Äpfel
- naja, auch in gewisser Weise Bioäpfel.
"Und das Einwickelpapier ist aus recycle-ten Klopapierrollen", füge ich hinzu.
Die beiden gucken verblüfft; erst auf mich, dann auf das grobe Packpapier.
"Woher weißt du das denn?" fragt die Dunkle.
Ich hatte nur geraten.
"Außerdem seid ihr beide aus Berkeley, ihr geht einmal oder zweimal in der Woche
zur Meditation und habt einen Greenpeace-Sticker hinten auf dem Auto. Fleisch
kennt ihr nur aus der Werbung und Alkohol ist natürlich Gift."
Die beiden gucken noch mehr. Bevor sie sich noch erholen können, hole ich meinen
Organizer heraus und lasse ihn ein paarmal piepsen. Dann 'scanne' ich die beiden
mit den Organizer, so richtig professionell a la Dr. Crusher von der Enterprise,
und schaue stirnrunzelnd aufs Display.
"Na, dann schauen wir mal... Tststs", sage ich sorgenvoll und schüttele den
Kopf. "Deutlich angehobene Hydrogen-Ionen-Konzentration in den unteren
Extremitäten und dazu noch überhöhte Temperatur in vorderen
Cerebral-Hyper-Kortex-Lappen. Alles eine Folge des übermäßigen Konsums von
heißen Wassers, vermute ich.... Und, was haben wir denn da?"
Der Organizer piepst wieder bedrohlich um den Bauchnabel der Leopardin herum.
"Ganz offensichtlich Spuren von Schwermetallen, Cadmium, Blei, alles da,
wunderbar eingebettet in unverdaute Hülsenfrüchte... Popopopo... hier:
Applekokken und Birnenkokken... Ich an eurer Stelle würde das ja nicht so
lassen..."
Die beiden schauen entsetzt auf ihre mageren Bäuchlein.
"Oh Gott! Aber... aber, was kann man denn da machen..."
Ich überlege einen Moment.
"Als erstes würde ich mal was gegen die zu hohe Körpertemperatur unternehmen: am
besten jeder einen Liter eiskaltes Cola - da hinten beim Lifeguard ist eine
Verkaufsbude. Dann irgendwas, damit die unverdauten Hülsenfrüchte gleich wieder
ausgetrieben werden. Wie wärs mit ein, zwei richtig schweren Hamburgern, mit
möglichst viel Pommes und Catsup - das Fett ummantelt hoffentlich die
Schwermetalle und verhindert ein Übertreten in die Blutbahn... Danach würde ich,
nur um ganz sicher zu gehen, ein kaltes Bad empfehlen - das unterbricht
hoffentlich die Teilung der Applekokken restlos und senkt zusätzlich die
Temperatur."
Vorhin habe ich gesehen, daß das Wasser heute nur 15 Grad hat. Wohl bekomm's!
Kapitel 25
Ich spiele mit meinem Kollegen Herbert 'Windoofs Versenken'.
Herbert ist Systemadministrator im Rechenzentrum einer größeren deutschen Bank
und paßt auf die veralteten Minis auf, die ständig Millionen unterschlagener
Steuergelder um den Globus schieben, damit das Finanzamt sie nicht so leicht
aufspüren kann. Naturgemäß langweilt er sich in seinem Job zu Tode - genau wie
ich.
Also spielen wir 'Windoofs Versenken', um die Zeit totzuschlagen...
---
Aha! Dacht' ich's mir doch, daß jetzt alle wissen wollen, wie die Spielregeln
sind! Also, bitte alle Windoofs-Nutzer jetzt mal kurz weghören...
'Windoofs Versenken' funktioniert ganz analog zum traditionellen 'Schiffe
Versenken' (das, nebenbei bemerkt, von einem römischen B.C.f.H. (Bastard
Captain from Hell) während des ersten punischen Kriegs erfunden wurde). Das
Spielfeld ist das gesamte Internet, und - im Gegensatz zum 'Schiffe Versenken'
- ist es egal, welche Windoofs-Rechner man abschießt. Jeder Rechner, der
'hängt', gibt einen Punkt; jeder ge-bootete Rechner zählt zwei Punkte. Es gibt
keine Begrenzung in der Zahl der Mitspieler. Im Gegenteil: das Spiel wird
desto besser, je mehr sich dran beteiligen. Der Spieler, der gerade am Zug
ist, gibt über chat eine IP-Adresse an die anderen Spieler durch, den
sogenannten 'target host'. Dann hat er drei Minuten Zeit den 'target host'
abzuschießen. Die anderen Mitspieler überzeugen sich durch 'ping', daß das
Opfer wirklich weidgerecht erledigt wurde, und der Spieler bekommt seine
Punkte auf einer extra dafür eingerichteten 'score page' eingetragen. Dann
kommt der nächste Spieler, und so weiter und so fort.
Die Kunst besteht weniger darin, die Windoofs-Rechner zu killen (korruptes
ICMP genügt normalerweise!), als vielmehr sie im Netz aufzuspüren. Nach sechs
bis sieben Stunden Spielzeit sind die meisten üblichen PC-Labors abgegrast
(ich vergaß zu sagen, daß man natürlich jeden 'target host' nur einmal killen
darf; auf der 'score page' wird eine entsprechende Liste geführt), und es wird
immer trickreicher, die Dinger hinter den 'fire walls' der Firmen aufzuspüren.
Erlaubt sind auch sogenannte Salven. Das bedeutet, daß der Spieler mit einem
einzigen Schuß eine ganze Gruppe von vernetzten Windoofs-Rechner versenkt. Das
geht nur, wenn man über die Vernetzung genau Bescheid weiß: man killt einen
Rechner; der killt beim Hochfahren den nächsten, und so fort. Für erfolgreiche
Salven mit mehr als fünf ge-booteten Windoofs-Rechnern erhält man zusätzlich
einen Bonuspunkt.
Die Leute denken immer, daß Windoofs-Rechner deshalb so häufig abstürzen, weil
das Betriebssystem Sch.... ist . Jetzt wißt ihr den wahren Grund!
Im Moment führe ich mit 7567 Punkten vor Herbert, der mir mit 7523 knapp auf
den Fersen ist. In den Microsoft Hotlines laufen jetzt sicher wieder mal die
Telefone heiß. Die Dispatcher sollten mir dankbar sein! Ich sorge dafür, daß
sie ihren Job nicht verlieren!
---
Ihr wollt noch mehr lustige Gesellschaftsspielchen kennenlernen?
Na gut. Manchmal spiele ich auch 'Avalanche'. Das ist eher was für einen
Spieler, so ähnlich wie Solitaire:
'Avalanche' könnt ihr noch gar nicht kennen (nicht mal die echten Freaks unter
euch!), weil ich es erst vor ein paar Tagen erfunden habe.
Es ist ganz einfach: man sucht sich eine unmoderierte Mailingliste mit
mindestens 1000 Mitgliedern und schickt irgendeine saublöde Mail an den
Reflektor. Zum Beispiel:
"... und dann möchte ich noch sagen, daß ich die letzte Mail von dem und dem
A........ überhaupt nicht kapiert habe. Da kommen lauter komische Ausdrücke
drin vor und so.
Ach ja, und dann wollte ich noch sagen, daß ich im Keller noch eine halbwegs
funktionstüchtige Wäscheschleuder habe, und die würde ich gerne verkaufen, und
wer Interesse daran hat, der soll mir doch bitte auf dieser Liste antworten.
Außerdem hat meine Grossmutter letzte Woche..."
... und so weiter. Also möglichst blödsinniges Zeug, das jedem halbwegs
normalem Leser die Nackenhaare zu Berge stehen läßt, und er sich zum
hunderttausendsten Male fragt, warum er sich diesen Schwachsinn eigentlich
antut.
Diese Mail ist sozusagen der Schneeball, der die 'Avalanche' anstößt. Was
jetzt passiert, ist folgendes (und wieder mal ein wunderbares Beispiel für die
Psychologie der großen Masse!):
Von den 1000 Empfängern schmeißen 970 die Mail achselzuckend in den Mülleimer.
Die restlichen dreissig gehören zu der Gattung Mensch, die nie etwas
kommentarlos hinnehmen können. Zum Glück ist diese besondere Sorte Mensch im
Internet noch häufiger vertreten als sonst. Diese dreissig schicken also alle
ein geharnischtes 'flaming' zurück an den Absender der blödsinnigen Mail, also
an mich. Rein statistisch gesehen sind unter dreissig Sendern garantiert
mindestens drei dabei, die nicht darauf achten, daß ich als Reply-Adresse
nicht meine eigene Email, sondern die der Mailing-Liste eingetragen hatte.
Also gehen die hübschen 'flamings' wieder an alle 1000 Empfänger der Liste.
Die wiederum sind sowieso schon leicht genervt über all die unnötigen Mails,
also finden sich logischerweise diesmal über 100, die einen abfälligen
Kommentar zurückschicken - meistens von der Art: 'Stoppt diesem Blödsinn!!!'
oder 'Ich will runter von dieser Sch.... Liste!!!'.
Und natürlich sind wieder 10% statistische Idioten dabei, die das ganze wieder
an die ganze Liste schicken, und so weiter und so fort!
In Null-Komma-Nix hat man ein paar tausend Emails voller Beleidigungen und
Morddrohungen, die kreuz und quer über durch das Netz huschen: die 'Avalanche'
ist in voller Fahrt und nicht kann sie aufhalten!
Gewöhnlich flaut die Aktivität dann nach ein paar Tagen wieder ab, weil die
Leute von den vielen Mails zu erschöpft sind, um nochmal den Reply-Knopf zu
drücken - die 'Avalanche' läuft langsam aus.
(Wer es bis jetzt noch nicht kapiert hat: 'Avalanche' bedeutet schlicht und
einfach 'Lawine'.)
Das Schöne an diesem Spielchen ist, daß - wie bei einer echten Lawine -
nichts, aber auch gar nichts dagegen unternommen werden kann. Die einzige
Methode wäre ja die, daß auf den ersten 'Schneeball' einfach niemand
antwortet. Das widerspricht aber so grundsätzlich dem menschlichen Naturell
(statistisch gesehen!), daß es praktisch niemals vorkommt! Hähähä...
Kapitel 26
Ich arbeite gerade an einer verbesserten Version von WinWord, die bei jedem
fünften Abspeichern die Bytes rückwärts in die Datei schreibt, als etwas
heftig gegen meine verschlossene Tür bumpert. Normalerweise stelle ich mich
in solchen Fällen (also wenn ich an wirklich lebenswichtigen Dingen arbeite
und keine Ablenkung gebrauchen kann) einfach tot. Wenn man mich später zur
Rede stellt, sage ich, ich hätte es für ein Erdbeben gehalten und wäre wie
vorgeschrieben unter den Tisch gekrochen.
Kurz darauf hört das Bumpern auf und Schritte entfernen sich in Richtung
PC-Labor. Ich logge mich auf einem PC dort ein und aktiviere das
angeschlossene Micro.
Kein Mensch scheint sich darüber im Klaren zu sein, daß es ein Kinderspiel
ist, einen Raum abzuhören, in dem sich ein vernetzter PC mit einem
angeschlossenen Mikro befindet. Und dank Bill Gates sind in den meisten
Windoofs-Rechnern sogar schon Mikros fest eingebaut, die jederzeit
aktiviert werden können!
Vor kurzem erst hat ein Kollege von mir in der Zeitschrift 'Hacker's Havoc'
einen neuen Virus-Typen vorgestellt. Der Virus verbreitet sich über die
übliche raubkopierte Software im Internet und versucht auf jedem befallenen
Rechner das angeschlossenen Mikro zu aktivieren. Die abgehörte Sprache wird
dann entweder übers Netz direkt an den Mutter-Rechner übertragen oder, wenn
auf dem befallenen Rechner ein Diktiersystem a la Voice Type installiert
ist, zuerst verschriftet und dann verschickt. Ein spezielles Expertensystem
auf dem Mutter-Rechner sortiert die eingehenden Texte und macht Vorschläge,
wen man wann mit welchen Äußerungen wie hoch erpressen könnte...
Aber das führt jetzt wirklich zu weit! (Außerdem habe ich schon mal von
Kollegen einen Rüffel erhalten, daß ich hier die besten Tips einfach
kostenlos verbreite!!!).
Ich setze also meinen Kopfhörer auf und lausche ins PC-Labor:
TÜRENKLAPP
"Und?"
"Der faule Kerl ist wieder mal nicht in seinem Büro..."
Fauler Kerl? Wer - ich??? - Ah-oh...
Ich checke rasch die Aktivität auf den PCs. Aha, es handelt sich um die
User 'beck' und 'stroem', die da ungestraft über mich herziehen. Aber nicht
mehr lange...
Ich gabele die beiden Tastatur-Devices kreuzweise, so daß beck nun
zusätzlich auf stroems Tastatur schreibt und umgekehrt. Dann lausche ich
wieder:
TASTATURGEKLAPPER...
...
HEFTIGES TASTATURGEKLAPPER...
...
HACK! HACK! HACK! ...
"Wwwwwas? Häh? Ich versteh das nicht... Irgendein Idiot schreibt auf meinen
Bildschirm..."
"Was? Bei dir auch??? Da muß irgendein Frischling mal wieder beweisen, daß
er seine Ausgabe auf ein anderes X-Terminal umlenken kann. Na, warte, wenn
ich den erwische!"
"Warte mal. Vielleicht können wir rauskriegen, wer das Schwein ist, wenn
wir den Output beobachten..."
STILLE
"Komisch, bei mir kommt nix mehr..."
"Bei mir auch nicht. Vielleicht hat er's schon wieder aufgegeben..."
TASTATURGEKLAPPER...
"Da! Da ist das Arschloch wieder!"
"Bei mir auch! Schreibt er bei dir auch: 'Konvergenzkriterium'?"
"Häh? Nein, bei mir schreibt er ... Moment Mal! Das habe ICH doch gerade
geschrieben!"
"Das ist aber ein komischer Text."
"Neinneinnein: Ich meine, ICH habe gerade 'Konvergenzkriterium'
geschrieben. Da steht es ja noch auf meinem Schirm..."
"Ach so? Dann hast ja DU..."
"Ich hab' überhaupt nix gemacht! Schreib du doch mal etwas..."
Ich unterbreche rasch die Verbindung zwischen den beiden PCs.
TASTATURGEKLAPPER...
"Nichts. Jetzt kommt gar nichts mehr..."
"Ich glaube immer noch, daß du dir nur einen blöden Scherz erlaubt hast.
Unglaublich witzig!"
"Aber wenn ich dir sage..."
"Ach, halt die Klappe!"
TASTATURGEKLAPPER + FEINDSELIGES SCHWEIGEN
Ich verbinde die Outputs der beiden Maustreiber, und zwar so, daß sich die
XY-Vektoren addieren.
"Was ist jetzt schon wieder los? Mein Mauszeiger bewegt sich so zäh..."
HEFTIGES GEGELÄUFIGES GESCHABE AUF DEN MOUSE PADS
"Gnnn, gnnnn! Warum bekomme ich die Maus nicht nach oben!!!"
"Ich bekomme sie nicht nach unten! Das ist doch schon wieder so eine blöde
Idee von dir! Hör endlich auf mit dem Quatsch!!!"
"Wenn DU nicht endlich aufhörst, mich grundlos zu verdächtigen, schmeiss'
ich dir die Maus an deinen Hohlkopf!!!"
GETÜMMEL: TASTATUREN KRACHEN ZU BODEN, MÄUSE QUIEKEN, HOHLKÖPFE DRÖHNEN...
"<Ächz... würg...> Momomomoment Mal! Moment!!!"
" Was?!"
"Überleg' doch mal: bei so einer Sache kann doch eigentlich nur ER
dahinterstecken!"
Ich schicke einen unendlich steilen Temperaturgradienten an unsere neue
computergestützte Klimaanlage, die sich daraufhin prompt überlädt und einen
Kurzschluß in der Stromversorgung des PC-Labors auslöst. Damit ist
zumindest der aktuelle Speicherinhalt meiner beiden Helden beck und stroem
im Nirwana verschwunden. Ausserdem funktionieren ohne Strom die
Zugangskontrollen zum PC-Labor nicht mehr, so daß die beiden Lästerer da
drin im Dunkeln und ohne Luftzufuhr ausharren müssen, bis der Hausmeister
sie irgendwann befreit.
Da sich unser Hausmeister gerade um diese Zeit gewöhnlich in der Kneipe
gegenüber zusammen mit dem Wachmann vollaufen läßt, kann das eine Weile
dauern...
Kapitel 27
Nach einem längeren Aufenthalt in Las Vegas - dienstlich natürlich -
komme ich erschöpft in mein Büro zurück. Bevor ich noch überlegen kann,
wo ich den teuflisch schweren Sack mit Spielgeld verstauen kann, so daß
er nicht gleich jedem ins Auge fällt, klingelt auch schon wieder das
verdammte Telefon.
Das hab' ich gern! Keine ruhige Minute in diesem Job!
Ich stopfe den Geldsack vorläufig in den Papierkorb und hebe ab.
"Hallo?"
"Ja, äh... hier spricht... ach was, meine Name tut nichts zur Sache. Ich
weiß nicht, ob ich hier überhaupt richtig bin..."
So was geht mir gegen den Strich! Erst harmlose, schwer beschäftigte
Leute stören, und dann nicht mal wissen, ob sie hier richtig sind!
Ganz gegen mein sonstiges gutmütiges Naturell (sic!) beschließe ich,
diesmal meinen Redebeitrag auf das Shannonsche Minimum zu drücken:
"Hm?"
"Ja, ich äh.. ich bin eigentlich auf der Suche nach Herrn Leisch..."
"Hm."
"Weil, nämlich" fährt der seltsame Kunde mit der öligen Stimme nervös
fort, "der Max S." (Name von der Redaktion unterdrückt) "der hat gesagt,
ich solle doch mal den Leisch fragen in so einer Sache..."
"Hm?"
"In welcher Sache? Ja, äh... hm... sind Sie denn der Leisch?"
Normalerweise würde ich jetzt sagen, nein, hier sei das kardasianische
Wasserwerk. Aber die fette Stimme klingt nach Geld! Deshalb bleibe ich
dran:
"Mhm..."
"Ah, gut! Ausgezeichnet, daß ich Sie gleich erwische. Diese
Überseegespräche sind ja auch nicht gerade billig, was? Haha."
"Hmm!"
"Ja, genau. Also zur Sache... sind Sie auch sicher, daß niemand bei
Ihnen mithört?!"
"Mhm!"
"Gut, also der Max hat gesagt, Sie hätten ihm ja auch geholfen mit...
mit seinem Laptop, und so. Sie wissen schon..."
"Hm."
"... und wie man jetzt gesehen hat, war das ja auch ein Glück, nicht?
Wenn dieser übereifrige Kerl von der Staatsanwaltschaft da noch was auf
der Festplatte gefunden hätte, wär's vielleicht bös' ausgegangen für den
Max S." (Name schon wieder von der Redaktion unterdrückt) "und da hab'
ich mir gedacht, rufst du einfach mal an bei dem, der dem Max geholfen
hat, nicht wahr...
"Hm."
".. und bestellst auch gleich so einen Virus für deinen Laptop. Das kann
ja nie schaden, hab' ich mir gesagt, nicht wahr? Auch wenn es erstmal
was kostet. Das macht sich im Notfall schon bezahlt. Haha! Bezahlt ist
gut, was? Es ist ja ganz unglaublich, was man alles auf seinem Laptop
einfach so mit sich 'rumschleppt. Und dann kommt die Steuerfandung
und... zack!... ist der Kombjuda konfisziert, und man steht schön blöd
da... äh... was kostet so was eigentlich? Der Max hat gesagt...."
"19 Riesen", sage ich.
Schlucken in der Leitung. Die 19 Riesen sind natürlich nur ein
Testballon. Wenn es sich um einen ernsthaften Steuerhinterzieher
handelt, schreckt ihn das bestimmt nicht ab. Bevor er sich von seinem
Schreck erholen kann - Geldausgaben sind für solche Leute wie
Magenschwinger bei anderen: es bleibt ihnen erstmal die Luft weg - frage
ich:
"Ist ihr Laptop vernetzt?"
"Äh... nein. Ich dachte..."
"Das ist sehr schlecht", sage ich bedauernd. "Das müssen Sie ändern.
Sonst können Sie später schlecht erklären, wie der Virus auf Ihren
Laptop kam, ohne daß Sie die entsprechenden verseuchten Disketten
vorzeigen können. Dem Max hat das beinahe das Genick gebrochen."
"Tatsächlich?" staunt er. "Ja, dann..."
"Also auf jeden Fall vernetzen. Email genügt schon. Und ich schicke
sofort nach Eingang der vereinbarten Summe eine Software an Sie. Die
installieren Sie ganz normal auf dem Laptop. Wenn Sie dann irgendwann
in Bedrängnis geraten sollten, drücken Sie einfach die Tastenkombination
ALT, CTRL + V und der 'Virus' wird aktiv. Das Ding simuliert das
Verhalten des Abraxas D12 Virus, ein etwas seltener bulgarischer Ableger
vom albanischen Abraxas D3. Er hinterläßt garantiert keinerlei Daten
oder verdächtige Spuren auf der Festplatte."
"Genial!" freut sich die ölige Stimme begeistert. "Und wohin soll
ich...?
Ich gebe ihm die Kontonummer des Vereins zur Unterstützung verfolgter
Systemadministratoren und lege auf.
Dann bereite ich eine neue Version meines 'Virus' vor, der jede neue
Textdatei nach den Begriffen 'Geld', 'Bestechung', 'Amigo',
'Männerfreundschaft', 'Gefälligkeit', 'Katholische Kirche', 'Flick' und
anderen einschlägigen Schlüsselworten scant. Wenn er etwas findet,
schickt er das File bei nächster Gelegenheit mit genauer Angabe des
Absenders an die Email-Adresse des BKA.
Dann kopiere ich das Ganze auf eine Diskette und schicke es dem sauberen
Herrn mit der öligen Stimme.
Dann lehne ich mich zufrieden zurück und überfliege nochmal den Artikel
über Mäxchen in der Überseeausgabe der ... Zeitung. Tstststs. Wer auch
immer dem Max den sogenannten 'Virus' überlassen hat, er hatte leider
nicht viel Phantasie. Anfänger!
In dem Moment höre ich ein Geräusch hinter mir, und als ich mich
umdrehe, sehe ich gerade noch unseren Raumpfleger mit meinem Papierkorb
im Gang verschwinden...
Kapitel 28
Es regnet.
Nein, ernsthaft! Es regnet. So was kommt vor. Sogar hier in Kalifornien.
Zwar seltener, aber deshalb nicht weniger schlimm. Eher noch schlimmer. Weil
niemand damit rechnet - und Regenschirme praktisch unbekannt sind.
Um den damit verbundenen Frust abzubauen, hänge ich ein Schild an meine Türe
und haue ab in die Uni-Bibliothek. Auf dem Schild steht:
"NOTFALL BEIM S.O.P.L."
Natürlich weiß niemand, was S.O.P.L. heißt. Ich auch nicht. Aber es klingt
arbeitsintensiv, so daß sich niemand wundert, wenn ich den ganzen Vormittag
wegbleibe.
In der Uni-Bibliothek gehe ich schnurstracks in die Aerobics-Abteilung und
übermale mit einem schwarzen Folienstift systematisch die Lücken in den
Bar-Codes der Bücher. Ab und zu habe ich das Glück, daß eine heiße Studentin
mit einem solchen Buch zur Ausleihe marschiert und Alarm im automatischen
Scanner auslöst. Dann springe ich als Retter in der Not ein, wische
unauffällig den schwarzen Strich weg, und siehe da: es funktioniert alles
wieder. Meistens werde ich von der dankbaren Studentin auf einen Cafe
eingeladen, etc. etc.
Nach dem zehnten Buch sehe ich plötzlich Ginger im schwarzen Lederdress um
die Ecke kommen und bei meinem Anblick erstaunt stehenbleiben. Ich frage
sie, was sie hier macht. Ginger klappt ihre berühmten Augendeckel auf und zu
und sagt:
"Och, äh... ich suche eigentlich nur ein gutes Handbuch für das neue Office
Suite Programm..."
Dabei kaut sie gedankenverloren an der Kappe ihres schwarzen Folienstifts.
"In der Motorsport-Abteilung?" frage ich erstaunt.
In diesem Moment heult vorne bei der Ausleihe der Scanner los. Ginger und
ich, wir zucken beide synchron zusammen und gucken rasch um die Ecke. Aber
es ist nur ein altes Mütterchen im grellrosanen Trainingsanzug und weißen
Tennisschuhen.
"Mist!" murmelt Ginger.
"Wie bitte?" frage ich.
"Äh... nichts. Wo waren wir gerade?"
"Office Suite", helfe ich nach.
Ich besorge ihr das Buch, und Ginger läßt sich widerstrebend zu einem Kaffee
in der Student Union einladen. Als wir schon am Ausgang des Lesesaals sind,
heult der Scanner wieder los. Ein knackiger junger Student in hautengen
Lederhosen, eine Mischung aus Mann-ihrer-Träume und ungezähmter Junghengst,
steht verdattert vor dem Scanner, einen dicken Bildband mit Harley Davidsons
unter dem Arm. Ginger seufzt tief, und folgt mir mißmutig hinunter in die
Cafeteria.
Als wir nach einen kurzen Plausch von zwei bis drei Stunden zurück ins
Institut kommen, finde ich einen Studenten mit langen fettigen Haaren vor
meiner Türe lehnen, der im Stehen eingeschlafen ist. Rücksichtsvoll wie ich
bin, versuche ich meine Türe aufzusperren, ohne den armen Jungen zu wecken,
aber leider hat er einen leichten Schlaf.
"Oh... äh... Herr Leisch?"
Ich kann es schlecht leugnen, weil es nun mal dummerweise dick und breit an
meiner Türe steht. Er folgt mir eifrig in mein Büro und sagt:
"Ich habe heute hier im Institut als graduate angefangen. Und Prof. Icewater
hat gesagt, ich solle mir von Ihnen einen Rechnerplatz zuweisen lassen..."
Trotzdem er stundenlang gewartet hat, ist sein feuriger Enthusiasmus noch
ungebrochen. Noch!
"So, hmm", sage ich. "Einen Rechnerplatz also. Mal sehen..."
Ich raschele mit ein paar alten HP Prospekten. Eigentlich habe ich keine
besondere Lust, einen neuen User einzuführen. Wir haben doch wirklich schon
genug davon!
"...ja, äh...", sage ich, "wie wäre es mit Wesleys Platz. Der ist letzte
Woche tragischerweise frei geworden."
"Hervorragend", freut sich der Neue. Dann fällt ihm auf, was ich gesagt
habe, und er fügt vorsichtig hinzu:
"Äh... wieso tragischerweise?"
"Tja, der gute Wes hatte einen kleinen Unfall mit dem Backup-Tape."
"Unfall?"
"Er ist irgendwie mit dem Schlips in den Bandführungsschlitz geraten, der
Schlips hat sich in der Auffangspindel gefangen und... nun, ja... Sie wissen
ja wahrscheinlich wie kräftig diese schnellen Bandmaschinen sind. Tragisch,
wirklich tragisch. Ein so intelligenter Junge, mit so guten Anlagen. Hätte
es hier noch weit bringen können... Seitdem trägt hier keiner mehr einen
Schlips, und alle waren danach sofort beim Friseur."
Der Neue schielt nervös auf seine schulterlangen Fransen und schluckt.
"Aber... aber das ist ja furchtbar!"
Ich nicke düster.
"Ja, das Bandgerät war auch im Arsch... Andererseits", fahre ich munter
fort, "hat es ja auch eine gute Seite. Dadurch haben wir tatsächlich einen
freien Rechnerplatz für Sie."
"Äh... ja... sicher..."
"Besser als Thompsons Büro ist es jedenfalls..."
"Wieso? Was ist mit Thompson passiert?"
"Mit Thompson? Hmm, interessante Frage... Ich glaube, sie haben ihn
eingeäschert - oder was von ihm übrig war."
"... (schwitz)..."
"Tja, Thompson hatte vergessen, daß unsere Wände seit dem letzten Erdbeben
nicht mehr so ganz das sind, was sie mal waren. Er hat sich unbedachterweise
gegen seine Bürowand gelehnt und ist glatt durch den Gips gebrochen..."
Zum Beweis schlage ich mit der Faust gegen die Wand hinter meinem Kopf.
Gipsteilchen regnen auf uns herunter und die Wand gibt ächzend ein wenig
nach.
Der Neue macht den Mund auf - und wieder zu. Auf seiner Oberlippe sehe ich
Schweißperlen.
"Da fällt mir noch ein", füge ich noch hinzu, "öffnen Sie hier im Institut
bitte nie ein Fenster."
"Ah, ich weiß ... wegen der Klimaanlage."
Ich schüttele langsam den Kopf.
"Wegen Ginger."
"Ginger?"
"Unsere Hilfssekretärin. Sie leidet an einem reflexartigen Fluchtsyndrom,
seitdem sie mal ein verlängertes Wochenende lang in unserem Aufzug gefangen
war und beinahe vom Kollegen Brian aufgefressen wurde. Er hatte so einen
Durst, daß er ihr Blut trinken wollte. Sie konnte sich nur retten, weil sie
durch die Wartungsklappe nach oben geklettert ist und dann noch drei Meter
am Seil hoch. Seit diesem kleinen Zwischenfall kann sie Öffnungen, die ins
Freie führen, nicht mehr widerstehen. Einmal ist sie uns schon aus dem
Fenster gesprungen - glücklicherweise fuhr unten gerade ein Altpapier-Laster
vorbei..."
"...(schluck)..."
"... und böse Zungen behaupten noch heute, daß irgendjemand das Fenster mit
Absicht aufgemacht habe... Aber solchen üblen Reden sollten Sie lieber kein
Gehör schenken. Das sind alles ganz reizende Leute hier im Institut - so
lange sie noch am Leben sind."
"Am Leben sind?" echot der Neue mit Schweißperlen auf der Stirne.
Ich winke ihn näher heran und fahre im Flüsterton fort:
"Ist Ihnen beim Interview mit Prof. Icewater nicht aufgefallen, wie eiskalt
ihre Hände sind? Nein? Naja, sie vermeidet in letzter Zeit auch tunlichst,
jemanden die Hand zu geben... Gehen Sie nach Einbruch der Dunkelheit lieber
nicht mehr in ihr Büro, das jedenfalls rate ICH Ihnen! Schauen Sie sich das
mal an!"
Ich deute auf ein paar Bohrlöcher hinter meinem Kopf an der Wand, wo mein
Vorgänger, der frühere financial director, einen geschmacklosen Elchkopf
befestigt hatte.
"Eindeutig 45-iger Einschüsse", flüstere ich, "wissen Sie, ich habe nie
herausgefunden, was mit meinem Vorgänger eigentlich passiert ist.
Komischerweise gab es keine Blutflecken, oder sie wurden sorgfältig entfernt
- vielleicht wurde das Blut auch anderweitig verwendet. Und manchmal habe
ich deutlich das Gefühl, daß jemand auf den Konsolen im Rechnerraum
herumtippt, und ich bin ganz sicher, daß vorher niemand im Raum war! - Was
ist eigentlich mit Ihnen los? Sie sind ja ganz käsig im Gesicht. Soll ich
ein das Fenster öffnen, daß Sie ein wenig Luft bekommen? Nein? Auch gut.
Also dann gehen Sie mal an Wesleys Arbeitsplatz. Dort werden Sie sich
wohlfühlen; das Büro hat sogar ein Fenster. Den Account richten wir dann
morgen ein. Viel Spaß auch..."
Inzwischen ist es schon fast dunkel im Büro; der November hat eben auch in
Kalifornien seine Auswirkungen. Nicht umsonst ist Halloween gerade erst
vorüber!
Ich schleiche auf leisen Gummisohlen zum Sicherungskasten und schalte den
Strom im Wesleys Büro aus.
Mit rekordverdächtiger Promptheit ertönt ein markerschütternder Schrei durch
den Flur. Dann sehe ich den Neuen wie von Furien gehetzt durch den Flur auf
mich zu rasen. Plötzlich erstarrt er für einen Moment, glotzt mich mit weit
aufgerissenen Augen an, macht kehrt und rennt zum Aufzug, vor dem er
zurückscheut wie ein Pferd, um schließlich auf der Feuertreppe zu
verschwinden.
Als ich mich umdrehe, steht die Chefin hinter mir und fixiert mich mit
frostglitzernden blaßblauen Augen. Dann seufzt sie und sagt:
"Ich möchte gar nicht WISSEN, was das wieder werden soll."
Kapitel 29
Ich spiele gerade mit meiner neuesten Errungenschaft, einem
programmierbaren Meßsender, herum, als natürlich das Telefon klingelt.
Nie können sie mich in Ruhe lassen! Wie soll man da wissenschaftlich
arbeiten können, frage ich! Die ganze Misere des Wirtschaftsstandorts
Deutschland (Originalton!) rührt wahrscheinlich allein daher, daß
heutzutage jeder dahergelaufene Idiot Zugang zu modernem
Kommunikationsformen hat. Zum Beispiel eben das Telefon. Ich möchte nicht
wissen, wieviel Zeit jeden Tag in unserer Volkswirtschaft mit absolut
sinnlosen Telefongesprächen vergeudet wird; ganz abgesehen von den
Dauertratschern, die es fertigbringen zwei Stunden am Stück an der Strippe
zu hängen.
Terrorismus ist das! Jeder Affenabkömmling, der in der Lage ist, sieben
Tasten in der richtigen Reihenfolge zu drücken, darf mich einfach
ungestraft von meiner Arbeit abhalten. Ungestraft? Naja, mal sehen...
Nach dem zwanzigsten Klingeln hebe ich ab.
"Hallo."
Kollege Jeff ist dran.
"Hallo, Leisch? Weißt Du eigentlich, wie spät es ist?! Wir waren um 11 Uhr
verabredet, um die Folien für das kommende 'CHATTER'-Meeting
durchzusprechen! Jetzt ist es halb zwölf!!! Hast Du verschlafen?!"
Verschlafen! Das mir, wo ich schon seit 22 Minuten an meinem Schreibtisch
hocke!
Tatsache ist, ich habe es nicht verschlafen. Obwohl ich mir alle Mühe
gegeben hatte. Das 'CHATTER'-Projekt (das amerikanische Pendant zum
deutschen 'SCHWAFEL') ödet mich schon lange an! Und die Meetings sind von
einer so abgrundtiefen Langeweile erfüllt, daß wir das letzte Mal drei
Todefälle unter den Teilnehmern zu beklagen hatten. Die Kollegen hatten vor
Langeweile einfach vergessen weiterzuatmen...
Ich mime den Erstaunten:
"Oh... äh... ist tatsächlich schon so spät... ...
komisch, ich dachte... aber auf meiner Uhr ist es erst halb elf... und in
meinem Computer auch..."
"Quatsch...", sagt Jeff.
Dann ein längeres Schweigen auf der anderen Seite. Im Hintergrund klappert
eine Tastatur. Dann kommt ein lahmes:
"Du hast ja recht... merkwürdig, ich hätte schwören können..."
Anfänger! Wenn er genauer hinschauen würde, könnte er sehen, daß ich gerade
die Zeitzone aller Rechner im Institut nach Hawaii verlegt habe. Aber wer
beherrscht heutzutage noch die einfachsten UNIX-Befehle? Fast niemand!
Deshalb haben ja Leute wie ich immer Oberwasser!
"Weißt Du", sage ich, "es ist trotzdem ganz gut, daß Du schon jetzt
anrufst. Ich hätte mir nämlich ganz gerne die Entwürfe für die Folien schon
mal angeschaut, bevor wir uns zusammensetzen..."
Er sagt mir, wo die Dateien liegen! Einfach so!!! (No comment.)
(Wenn es drauf ankommt, kann ich auch ganz schön schnell sein!)
Ich füge noch ein paar besonders unanständige GIFs in die Folien ein -
Bildchen, bei denen sogar Beate Uhse rot werden würde -, dann schicke ich
das Ganze unter Jeffs Account mit der Bitte um konstruktive Kritik an die
Chefin. Mal sehen, wie sich Jeff da wieder rauswinden wird...
Wenn ich Glück habe, zieht sich der Skandal über den Nachmittag hin, und
ich habe genug Zeit für mein neues Spielzeug, das ich aus den
Nachrichtentechnik-Praktikum geklaut habe. Normalerweise stehe ich ja nicht
so auf echte Hardware - irgendwie behindert es die freie Entfaltung des
Geistes, wenn man jeder Idee erst mit dem Lötkolben zur Realität verhelfen
muß - , aber dieses Baby hier hat durchaus seine Reize. Ich schließe den
programmierbaren Meßsender über die parallele Schnittstelle an einen alten
PC an, den ich normalerweise dazu verwende, meine Videosammlung zu
archivieren. Nach ein paar Probeläufen gelingt es mir schon mal, Gingers
Transistorradio im Sekretariat mit abscheulichen Heultönen zu stören. So
weit, so gut!
Während Ginger noch wütend ihr Radio schüttelt, poke ich im Web herum, bis
ich eine erstaunlich detaillierte technische Beschreibung bei einem
Autoalarmanlagen-Hersteller entdecke. Natürlich sind die Codes der
Funkgeber nicht angegeben, aber das Grundprinzip wird ganz gut
dargestellt...
In Berkeley - und wahrscheinlich auch woanders an der Westküste - gibt es
ganz bestimmte kulturelle Ausprägungen bei den Autobesitzern. Zum Beispiel
fahren sämtliche Psychotherapeuten und gehobenen Akademiker grundsätzlich
nur Volvos (es gibt hier eine Fülle von Volvo-Witzen, ähnlich den
Manta-Witzen zu Hause!). Die Schwarzen fahren riesige amerikanische
Schlitten, je größer desto besser, vorzugsweise mit irgendwelchem
vergoldeten Firlefanz außen und roten Plüschsitzbezügen innen. Die weißen
Studenten fahren europäische Marken oder - wer es sich leisten kann -
tiefer gelegte Kleinlaster aus den 50iger Jahren. Die Studentinnen cruisen
in billigen japanischen Zweisitzern herum, vorzugsweise Cabriolets, damit
man echt cool die blonde Mähne in den Wind hängen kann, wenn man übers
Golden Gate fährt. Die übriggebliebene 68iger-Generation (von der es hier
eine Menge gibt!) fahren uralte knatternde VW-Busse, mit denen sie
wahrscheinlich schon zu Anti-Vietnam-Demos nach Washington D.C. getuckert
sind. Die Mex bevorzugen Pickups, weil sie in allen anderen Wagentypen mit
ihren Cowboyhüten am Dach anstoßen würden. Die Chinesen - sparsam wie immer
- fahren die billigen, alten Schlachtschiffe der 70iger Jahre, die ihnen
viel zu groß sind. Das kann ab und zu einen merkwürdigen Effekt haben, wenn
so ein Schlachtschiff scheinbar fahrerlos auf dich zu schlingert, und erst
beim Vorbeifahren sieht man, daß da eine winzige Chinesin sich am Lenkrad
hochzieht und mühsam über das Armaturenbrett späht.
Und wer fährt die Mantas? Naja, echte Mantas gibts hier nicht mehr, aber
die Rolle der Mannis und Sepps haben hier die asiatischen Youngsters
übernommen. Da paßt wieder alles: tiefergelegte, aufgemotzte Billig-Japaner
mit Rostspuren auf der Fahrertüre (Achselschweiß!), den Kennwood-Aufkleber
quer über die Heckscheibe, etc. etc.
Aber alle haben eines gemeinsam: jeder hat Panik, daß seinem geheiligten
Kalb etwas passieren könnte. Und deshalb haben alle funkgesteuerte
Alarmanlagen, die jedesmal kurz quäken, wenn der Besitzer lässig den Knopf
an seinem Schlüsselbund drückt. Das klingt so ähnlich wie "Quickquäck""
oder Wuitwuit!" oder "Ickaick!", und es geht mir auf den Nerv!
Ich plaziere den Meßsender am Fenster und schreibe ein kleines Programm,
das systematisch sämtliche Sequenzen der handelsüblichen Funkgeber
durchprobiert (es gibt erstaunlich wenige, nebenbei bemerkt!). Schon nach
fünf Minuten werde ich durch ein fröhliches "Quäckquack!" draußen belohnt.
Ein schwarzer Pickup fühlt sich für diese Kombi zuständig. Ich speichere
die Sequenz und suche weiter.
Gegen abend habe ich 36 Sequenzen von Autos auf dem Parkplatz geknackt und
abgespeichert.
Gegen sechs Uhr beginnen die höheren Angestellten der Stadtverwaltung
gegenüber zu ihren fahrbaren Untersätzen zu eilen. Ich warte, bis einer
ziemlich allein mitten auf dem Platz steht und befehlsgewohnt seinen
Funkgeber auf seine Auto richtet: "Ickäck!"
Ich aktiviere die Sequenz sofort nochmal und das Auto macht gehorsam die
Anlage wieder scharf: "Äckick?"
Der Besitzer hat nichts mitbekommen oder er meint, ein anderes Auto gehört
zu haben, und sperrt auf. Natürlich heult sofort die Alarmanlage auf:
"Huuiiiaaaaaoooooaaaauuuiiiiiaaaaaoooo..."
Nach einigem Fummeln findet der Besitzer in Panik den Notausknopf, und das
Geheule erstirbt mit einem unanständigen Rülpsen. Der verdatterte
Autobesitzer steigt wieder aus und geht ratlos um sein Auto herum. Ich
sende wieder die Aktivierungssequenz, und weil die Türe noch offensteht,
heult der Wagen, ein 94 Nissan, brav wieder los.
Ein schwarzer Polizeiwagen biegt träge wie ein Hammerhai auf der Suche nach
einem leichten Opfer auf den Parkplatz ein. Ein Cop steigt betont langsam
aus und tippt dem Besitzer, der es gerade wieder geschafft hat, den
Notausknopf zu finden, auf die Schulter. Die beiden verhandeln heftig. Ich
sehe sogar auf diese Entfernung, daß der Cop meint, der Autofahrer sei reif
für den Therapeuten (das ist nicht besonders verwunderlich, weil die Cops
hier jeden Unbewaffneten mit genau dieser Grundeinstellung behandeln - und
in den meisten Fällen haben sie auch noch recht!).
Der Cop macht den Mund auf, um auch etwas zu sagen, aber in diesem Moment
aktiviere ich die Alarmanlage des Wagens hinter ihm: "Quickquock!!" und der
Cop macht einen absolut unwürdigen und unprofessionellen Hopser. Um diesen
unverzeihlichen Gesichtsverlust zu kompensieren - inzwischen haben sich
nämlich einige Penner auf der Szene eingefunden, die alles aufmerksam, wenn
auch aus sicherer Entfernung beobachten - packt der Cop den Nissanfahrer,
knallt ihn professionell auf seinen eigenen Wagen und legt ihm Handschellen
an. Der zweite Cop steigt aus dem Polizeiwagen - nicht mehr ganz so
langsam.
Um die Szene etwas musikalisch aufzulockern aktiviere ich wieder die
Alarmanlage des Nissan, bei dem die Türe immer noch offensteht. Der zweite
Cop rennt zu dem Wagen und schüttelt an der Karosserie. Ein
Polizisten-Reflex? Alles was Lärm macht, erstmal schütteln. Vielleicht
hört's dann von selber auf!
Der Nissan läßt sich nicht beirren: "Oooaaaiiiiuuuaaaooooaaaaiiiiuuu..."
Cop Nummer 2 schreit etwas, aber der der Nissan-Besitzer, dem das Blut von
der überstürzten Festnahme aus der Nase rinnt, schüttelt trotzig den Kopf.
Worauf ihn Cop Nummer 1 sicherheitshalber nochmal kräftig durchschüttelt.
Cop Nummer 2 öffnet die Motorhaube und zieht die Dienstpistole. Drei
gezielte Schüsse und das Heulen erstirbt mit einem qualvollen Röcheln.
Die Sache beginnt mir Spaß zu machen. Zu schade, daß das Licht immer
schlechter wird. Sonst wäre das ein hübsches kleines Video geworden...
Ich aktiviere die Alarmanlage des schwarzen Mercedes mit dem vergoldeten
Kühlergrill direkt hinter Cop Nummer 2: "Quockquack!!"
Der Cop fährt blitzschnell herum und jagt zwei Schüsse in den Kühler des
Mercedes 180. Die Penner gehen routiniert hinter Parkbänken in Deckung.
Grünes Kühlwasser beginnt auf den Asphalt zu bluten.
Ein schon etwas angegrauter Schwarzer kommt aus der Stadtverwaltung und
rast über den Platz. Beim Laufen sieht man sein Hüfthalfter unter seiner
Jacke hervorschlenkern - ganz offensichtlich ein Cop in Zivil. Bei seinem
Anblick nehmen Cop Nummer 1 und Nummer 2 sofort Haltung an. Nummer 2 zerrt
sogar den gefesselten Nissan-Besitzer an den Haaren in eine vertikale
Position. Der zivile Cop brüllt und fuchtelt in Richtung des blutenden
Mercedes - ganz offensichtlich sein Wagen. Cop Nummer 1 versucht zu
erklären und wird niedergebrüllt. Cop Nummer 2 versucht zu erklären und
wird niedergebrüllt. Der zivile Cop geht auf seinen mißhandelten Mercedes
zu, aktiviert seinen Funkgeber und reaktiviert natürlich damit die
Alarmanlage, die ich ja vorhin schon ausgeschaltet hatte. Er schließt die
Tür auf, und prompt fängt das Ding an zu tuten.
Ich starte mein Programm, das bei allen 36 geparkten Auto ständig die
Alarmanlage an und aus schaltet. Auf dem Parkplatz bricht die Hölle los.
Die Penner flüchten geduckt in den Park, Cop Nummer 1 und 2 rennen zu ihrem
Wagen und verlassen mit quietschenden Reifen den Parkplatz, der schwarze
Cop flüchtet sich zurück in die Stadtverwaltung. Nur der Nissanbesitzer
bleibt zurück und zerrt ohnmächtig an seinen Handschellen.
Nach fünf Minuten schalte ich den Meßsender aus und fahre befriedigt nach
Hause. Das dürfte für eine Meldung in CNN gut genug sein...
Kapitel 30
Ausnahmsweise scheint heute mal die Sonne Ich nütze die seltene
Gelegenheit meinen angeschlagenen kalifornischen Teint aufzufrischen und
setze mich mit der neuesten Ausgabe von 'Hacker's Havoc' auf dem Dach
ins Freie. Falls mich unten jemand vermissen sollte, steht er halt vor
verschlossener Türe mit dem Schild:
'DO NOT DISTURB - MEN AT WORK!'
Für die ganz Mißtrauischen (die versuchen durchs Schlüsselloch zu
spitzen oder an der Türfüllung lauschen) produziert meine Workstation
über Lautsprecher heftige Tastaturgeräusche, und auf dem Bildschirm
erscheint mein Kopf als schwarze Silhouette vor der normalen Oberfläche
(neuer Bildschirmschoner für streßgeplagte Systemadministratoren; Patent
bereits angemeldet).
Ich blättere also im neuesten HH und blinzele in die schwache
Wintersonne. CA ist im Winter auch nicht gerade das, was die
Reisekataloge so versprechen: kühl, neblig und regnerisch. Natürlich von
Schnee keine Spur, so daß die armen, ganz in CocaCola-Rot gewandeten
Weihnachtsmänner traurig in den Pfützen vor den Department Stores
herumtapsen müssen.
Ich blättere um: den Preis für die dümmste und kostspieligste Aktion
des Monats haben schon wieder die Deutschen gewonnen. Diesmal ist es die
'Krankenhaus-Notopfer-Eintreibung'. Der Journalist zählt genüßlich auf,
was die Eintreibung von 20 Mark per Post und Banküberweisung von jedem
Versicherten kosten wird; nach seiner Rechnung müssen die Krankenkassen
sogar noch draufzahlen. Ganz zu schweigen davon, daß die meisten Leute
sowieso nicht zahlen werden, seitdem irgendein Superhirn öffentlich im
TV gesagt hat, daß säumige Zahler "aus Kostengründen" nicht belangt
werden können. Da hat die Welt mal wieder was zu lachen! In der letzten
Ausgabe war es der Elch-Mercedes, und davor... weiß ich nicht mehr; aber
auf jeden Fall auch etwas Deutsches. Achso, doch! Jetzt fällt's mir
wieder ein: vor zwei Monaten war es der CSU-Abgeordnete Wallner aus
Niederbayern, der von seinem Landtagstelefon aus für 25.000 Mark
Sex-Telefongespräche geführt hat.
Was für ein irres Land! Und ich sitze hier in San Francisco, wo es eine
Schlagzeile auf der ersten Seite gibt, wenn neun (9!)
Fahrrad-Demonstranten verbotenerweise über die Baybridge radeln!
Und da heißt es immer, im alten Europa sei nichts los, und nur hier in
den Staaten spiele die Musik! Von wegen!
Ich seufze so laut, daß die Möwen auf der Mauerbrüstung erschreckt
auffliegen. In diesem Moment düdelt mein hausinternes Handy. Da ich
sowieso mit HH fertig bin, schalte ich den automatischen Beantworter ab,
der normalerweise dem Anrufer mit freundlicher Stimme erklärt, daß der
Teilnehmer Leisch momentan nicht erreichbar sei, und sage:
"Hello."
"Äh... ah... hello, yes... äh... please can I... hrrmm... may I speak
with Mister... äh... Leisch... sind Sie das...?"
Der Chef!!! Ich werfe einen raschen Blick auf die Uhr. In Deutschland
ist es bereits halb zwölf in der Nacht! Der Chef ruft mich normalerweise
nie selber an, und jetzt sogar mitten in der Nacht! Es muß sich also um
was ganz Ernstes handeln. Mehrere Szenarien erscheinen vor meinem
inneren Auge:
Der bayerische Rechnungshof konfisziert meine Videosammlung, Frau
Bezelmann wegen Unterschlagung von roten Kugelschreibern verhaftet, der
Rabe Nero hat die Dogge des Hausmeisters getötet, Marianne bekommt ein
Baby, und niemand weiß, wer der Vater ist, Invasion der
'Reisekostenstelle from Heaven', oder haben die Mitarbeiter irgendwie
'rausbekommen, daß ihre Mailboxen jede Nacht nach USA auf meinen Rechner
kopiert werden?
Ich gebe mich vorsichtig zu erkennen, und der Chef... ja, er klingt fast
irgendwie erleichtert?!
"Oh... ah... Leisch! Wie gut, daß ich Sie gleich... hrrmm... haben Sie
schon äh... geschlafen? Oder... hm... wie war das noch mit der... äh...
Zeitverschiebung...?"
Ich sage dem Chef, daß es zwar mitten in der Nacht, ich aber natürlich
noch im Büro und bei der Arbeit sei.
Regel Nummer 342 für den erfolgreichen Bastard: 'Unerwartete
Wissensdefizite bei Mitmenschen auf keinen Fall aufklären, sondern
sofort für die eigenen Imagepflege ausnutzen!'
"Ah... na, aber! Sie sollten äh... sollten doch... hm... Sie arbeiten
doch zuviel... hm, ja. Ich rufe Sie an...hm, weil... äh... weil wir...
das heißt das Institut, ja... weil wir uns... hrrrm... gewissermaßen in
einer... äh... unangenehmen Lage... sehr unangenehmen Lage... äh...
befinden, ja..."
Also doch! Ich hatte es ja vermutet! Wahrscheinlich sagt er mir jetzt,
daß sie die ganzen gefälschten Reisekostenabrechnungen der letzten 8
Jahre gefunden haben, und ich mich besser schon mal um eine Greencard
bemühen solle, weil ich in München sowieso keinen Fuß mehr in die Türe
bekomme.
"Äh... ja, haben Sie schon... haben Sie über den... hmm...
Studenten-Streik hier gelesen? Sehr unangenehm... wirklich..."
Und dabei hatte ich die Kollegen da drüben schon beneidet, daß sie schon
seit zwei Wochen keine Vorlesungen mehr halten müssen!
Ich gebe einen unverbindlichen, jedoch mitfühlenden Laut von mir.
"Ja... ähm... sehr... sehr... äh... unangenehm. Die Sache ist nämlich...
hm... leider die: äh... das Kultusministerium hat uns... ähm angedroht,
daß... hm... die... äh... Haushaltsmittel sofort... ja, gesperrt
werden... äh... wenn die Studenten nicht... hm... sofort wieder in
die... äh... Vorlesungen zurückkehren, verstehen Sie? Das... ähm... wäre
eine... eine Katastrophe.. wäre das... hrrrm... ja."
"Wenn die Studenten in die Vorlesungen zurückkehren?" frage ich höflich.
"Wie... äh... neinnein... hrrrm... wenn uns die Gelder gesperrt
werden... ähm... DAS wäre eine... hm... Katastrophe..."
Aha! Da weht der Wind her! Ich lasse unauffällig die angehaltene Luft
ab. Dann frage ich höflich, was die ganze Angelegenheit mit mir zu tun
hat. Schließlich sei ich in CA und könne von hier aus bestimmt keine
Studentenrevolten anzetteln (wenn auch Berkeley dazu den stilgerechten
Rahmen abgegeben würde!).
"Nein... ja... äh... nun. Wir haben uns...äh... gedacht, daß... wo Sie
doch immer... äh... also, wir waren der Meinung... hm... daß Sie
vielleicht mit... hrrm... Sie vielleicht die... äh... Studenten wieder
zurück... äh... zurück in die Veranstaltungen bringen... hm... bringen
könnten. Weil... soweit ich mich... äh... erinnern kann, äh... haben bei
Ihnen doch die... hm.. Studenten nie gefehlt... verstehen Sie?"
Kein Wunder! Jeder, der in meiner Übung fehlt, verscherzt damit
automatisch alle Chancen, jemals einen Schein bei mir zu machen.
Außerdem geht immer zufällig am gleichen Tag die Platte kaputt, auf dem
der betreffende Student sein Homeverzeichnis hat. Das hat sich
inzwischen 'rumgesprochen!
"Ich soll nach München kommen, nur damit die Studenten wieder in die
Vorlesung kommen?" vergewissere ich mich.
"Nun ja... äh...ja, das wäre... äh... schön..."
"Linienflug in Businessklasse?" frage ich.
"Äh... kein Problem..."
"Ich komme!" sage ich, kehre der blassen Wintersonne und den Möwen
ostentativ den Rücken zu und gehe hinunter, meinen Laptop einzupacken.
Und so endet diese kalifornische Episode ebenso unerwartet, wie sie
begonnen hatte.
Und wenn Prof. Icewater nicht zu einem grünblauen Eisblock mit
Schokoladeneis-Augen erstarrt ist, und Ginger nicht doch noch endlich
ihren Motorradprinzen gefunden und geheiratet hat, und Ron sich nicht
beim Anstieg auf Mount Whitney endgültig das Genick gebrochen hat, und
der financial director an seiner Katzenhaar-Allergie nicht eingegangen
ist, und Jerry nicht vor lauter Coolsein das Einatmen vergessen hat,
dann leben sie wieder glücklich und zufrieden - seitdem sie den B.A.f.H.
endlich losgeworden sind...